„von Wyß" nennt sich auch das älteste Adelsgeschlecht, das uns in der Geschichte von Vettweiß begegnet. Schon 1215 bekundet Abt Bruno von St. Martin in Köln, das Kloster habe dem Heinrich von Gladebach, dem Sohn des verstorbenen Vogtes Otto von Wyß, ein Gut zu Müddersheim überlassen gegen eine jährliche Rente von zehn Schilling. Unter den Zeugen bei dieser Übertragung finden wir Heinrichs Brüder Rainer und Otto. Rainer ist Vogt auf dem Mönchshof zu Vettweiß. Dieses Geschlecht saß auf der Oberburg, die wir wohl als die Hauptburg ansehen dürfen. Der gleichen Familie gehört auch jener Reinhard von Wysse an, der 1270 in Köln das Bürgerrecht erwirbt. 1415 siegelt Cointze von Wyß (Kunz = Konrad); ebenso 1431 mit ihm sein Bruder Johann van Wys, der von Abt und Konvent zu Groß St. Martin in Köln eine Hofstatt zu Vettweiß pachtet.

Die von Wyß hatten einen sehr umfangreichen Besitz. So verkaufen 1485 Reinhard von Wyß und seine Gemahlin Katharina von Sechtem dem Erbschenken Heinrich von Vlatten (vgl. unsere Ausführungen über Burg Froitzheim!) ihren Hof Kempen im Gericht Froitzheim; es ist der heutige Kemperhof. 1487 finden wir bereits die von Hocherbach im Besitz der Oberburg; aber noch 1523 verkauft Adam vom Vettwijs (!) den Eheleuten Godart von Hocherbach und Katharina von Kinzweiler eine Hofstatt mit drei Morgen Busch „untgain unser liever vrauwen boume" und drei Morgen am Wege nach Froitzheim. Die Hocherbach erbauen auch die Burg in ihrer heutigen Gestalt.

Sie gehört in ihrem Stil ganz dem 16. Jahrhundert an. Von einer Burg im eigentlichen Sinne, d. h. einer Verteidigungsanlage des Mittelalters, dürfen wir hier nicht mehr reden, wenn sich auch im Untergeschoss einzelne Schießscharten Hausteinfassung finden. Sie mögen von der wehrhaften Anlage eines älteren Bauwerkes stammen; hier sind sie jedenfalls nur Zierrat in der hohen Backstein- aufmauerung. Das Mauerwerk in Ziegelstein ist dazu nicht einmal das ursprüngliche; bei der Erbauung bestanden die Wände großen-teils aus Fachwerk, wie wir es an der Ostfront mit dem überragenden Obergeschoss noch deutlich sehen. Erst später hat man sie in Backstein erneuert; dabei wurden auch die Fenster fast alle verändert. An der Ostseite schließt ein schmaler Zwinger - ähnlich wie bei Burg Gödersheim - das Herrenhaus ab, zu dem eine gemauerte Brücke den Zugang bildet. Über dem Herrenhaus aber erhebt sich das hohe Satteldach, für das jene Zeit eine Vorliebe gehabt zu haben scheint. Beachten wir noch auf dem Firstende die knarrende Wetterfahne mit dem Wappen der von Hocherbach.
Nur noch in geringen Teilen sind die alten Gräben um das Hauptgebäude erhalten.

Aber auch wenn sie noch vorhanden wären, wir würden doch immer feststellen müssen: die Oberburg in ihrer heutigen Gestalt war nie eine Wehranlage; sie ist das Herrschaftshaus einer großen Gutsanlage, das vielleicht - diese Möglichkeit besteht - an der Stelle einer früheren Burg errichtet wurde.Auch die Wirtschaftsgebäude gehören der neuen Zeit an.

Wie lange die von Hocherbach im Besitz der Burg geblieben sind, steht nicht fest. Noch 1590 hören wir von einem Ehevertrag zwischen Johann von Reifferscheid und Katharina von Hocherbach (Tochter Godarts v. H.), der auch das Gut zu Vettweiß gehört. Wenn wir daher im Besitz der heutigen Eigentümer, der Familie Erasmy, eine hübsche Kabinettscheibe finden mit dem Wappen der Wolff-Metternich und der Umschrift: Maria Wolff von Metternich auf ...Mutter gewest ist. 1565.", so sind wir nicht berechtigt, daraus zu folgern, um diese Zeit seien die Metternich Herren der Burg gewesen. Hier können andere Zufälligkeiten mitgewirkt haben.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts ist der Hocherbach´sche Besitz so verschuldet, dass die Familie gezwungen ist, ihn an die Herren von Dunkel zu Lüxheim abzugeben. Diese veräußeren das Gut bald darauf an die von Broich zu Soers. Als Karl Heinrich Freiherr von Broich 1834 stirbt, wird Vettweiß verkauft und gelangt schließlich in das Eigentum der Familie Erasmy.

Quelle

Anmerkung: Leseabschrift aus dem Buch Alte Burgen des Dürener u. Jülicher Landes von Dr. A. Meyer, 1934, Sonderdruck aus: Westdeutscher Beobachter Düren