Datum: 29.07.2013
Leben auf dem Land. Waren Sie schon mal in der Gemeinde Vettweiß? Nicht nur durchgefahren so wie die Meisten, sondern hingeschaut, mitgemacht, dabei gewesen, sich wohlgefühlt, wiedergekommen, Freunde gefunden, dageblieben?
9000 Gesichter sind es mittlerweile, die sich hier nieder gelassen haben. Gemeinschaftssinn, Eigeninitiative, bürgerschaftliches aktives Tun und Handeln, Vereinsleben in allen Variationen in und an jedem Wohnplatz, engagierte lebensfrohe Menschen verteilt auf elf Ortschaften, drei Weilern und vielen Aussiedlerhöfen, verteilt auf 83 qkm Fläche. Die offene Landschaft der Börde im Zentrum mit nach wie vor intensiver Landwirtschaft, das reizvolle Neffeltal im Osten mit einer Vielzahl von Burgen aufgereiht am Neffelbach und das Drover Tal im Westen mit der Artenvielfalt der Drover Heide (eigentlich Sollener Heide, denn sie liegt zu 90 % in der Gemeinde Vettweiß) ehemals Truppenübungsplatz jetzt Fauna, Flora Habitat und Vogelschutzgebiet spiegeln den groben Überblick und die unterschiedlichen Charaktere wieder.
Und wenn Sie näher hinschauen, sich für Land und Leute interessieren, mit den Menschen sprechen, die hier seit je her ihre Heimat haben und diejenigen, die sich in diesem Raum neu angesiedelt haben, so werden Sie die unterschiedlichsten Meinungen und Ansichten finden, weshalb man in der Gemeinde Vettweiß lebt und wohnt.
(Der römische Töpfermeister) Verecundus, die römische Wasserleitung, Burgenstandorte, römische Gutshöfe, literarische Chroniken machen deutlich. Die Kelten, die Römer, die Franken, die Franzosen, die Amerikaner, alle waren schon hier und haben ihre Spuren hinterlassen.
Welche Spuren hinterlässt der Wechsel in das 3. Jahrtausend nach Christi, wenn wir den Bogen weiter spannen wollen. Vettweiß als Karnevalshochburg für die Damenwelt? Ernsthaft! Was hat sich getan, was hat sich verändert, was ist passiert in diesem Landstrich in den vergangenen Jahrzehnten?
Die Gemeinde Vettweiß ist nicht nur Einwohner bezogen gewachsen, sie ist vor allem zusammen gewachsen und hat sich intensiv darum bemüht, die dörflichen Strukturen möglichst nicht zu verlieren.
Sie hat auch aufgrund der latent vorhandenen finanziellen Probleme nicht jeden Zeitgeist aufgegriffen, sondern mit Bedacht eine Entwicklung verfolgt, die die Menschen aktiv in die Gestaltung ihres Lebensraumes, ihrer Heimat mit eingebunden hat. Viele Opfer, hohe Gebühren mussten erbracht werden, um finanziell überleben zu können. Diese nicht einfachen Jahre haben aber nachhaltig den Gemeinschaftssinn und das aktive Tun und Handeln vor Ort gestärkt. Gemeinschaft und Gemeinschaftssinn, Eigenverantwortung, aktives Tun und Handeln werden gefordert und gefördert. Rund 95 Vereine kümmern sich und prägen das Leben in unseren Dörfern. Man kennt sich, hilft sich gegenseitig, klönt, feiert, trauert miteinander.
Kinder, Jugendliche haben es nicht einfach in der heutigen Zeit. „Vröje, vröje ...“, wenn die Alten so erzählen „… hött et dat net jejovve“ Früher konnte man im ländlichen Raum ungezwungen seinem Spieltrieb, den weitaus geringeren Freizeitangeboten ungezwungen nachgehen. Schabernack und auch Unsinn treiben. Heute in der Internetwelt mit einer Vielfalt an Angeboten und in Strukturen aufgewachsen, die den Themen Erziehung, Bildung und Familienleben nicht genügend Aufmerksamkeit gewidmet haben, ist es umso wichtiger im ländlichen Raum, die in vielen Bereichen noch vorhandene so genannte heile Welt weiter mit Leben zu erfüllen. Die Kommune muss hier mittlerweile bedeutend mehr Präsenz und Initiativkraft entwickeln, um weg brechende Familienstrukturen zu ersetzen. Deshalb haben Kindergärten, Schulen, Jugendtreffs, Vereinsarbeit in der gemeindlichen Arbeit hohe Priorität und kennzeichnen auch im ländlichen Raum den Weg in das neue Jahrtausend.
Sind sie schon mal über Vettweiß geflogen. Nein, nicht mit LTU von Köln-Bonn nach Gran Canaria und auch nicht mit einem Eurofighter vom Fliegerhorst Nörvenich aus, sondern mit einer Cesna oder einem Ultraleichtflugzeug. Zwischen Jakobwüllesheim und Soller steigen sie fast täglich in den Himmel und schweben schön langsam über unsere Gemeinde. Wenn nicht, sollten Sie es alsbald mal tun und sie werden feststellen, es gibt vieles zu bewundern im Vettweißer Land. Sie haben dort oben zwar nicht den unmittelbaren Kontakt zu den Menschen aber sie werden sehen, in der Gemeinde Vettweiß sind die Strukturen klar und deutlich geordnet.
Ein üppiges Straßennetz von Bundes- und Landstraßen durchkreuzt die Gemeinde von West nach Ost von Nord nach Süd. Die Städter wollen in die Eifel, die Arbeitssuchenden in die Städte. Alle fahren sie durch die Gemeinde Vettweiß. Einige haben dabei festgestellt, dass man ja auch hier leben kann und sind geblieben. Vielleicht gehört auch deshalb die Gemeinde Vettweiß zu den Gemeinden, die am stärksten wächst. Das gut ausgebaute Straßennetz zieht den Verkehr magisch an und die vor Jahren geplante aber nie realisierte A 56 zwischen Euskirchen und Düren wird schmerzlich vermisst. Die Leidtragenden sind die Bewohner an den Ortsdurchfahrten Soller und Kelz, die sehnsüchtig auf ihre Umgehungsstraßen warten.
Sie sehen eine Unzahl von Wirtschaftswegen, über 300 km, gepflastert, geteert, in Schotter und Gras. Das Erschließungsnetz für unsere Landwirtschaft und ein Paradies für Radfahrer, die die Überwindung von Höhenunterschieden meiden und den Blick in die Weite der Landschaft zwischen Jakobwüllesheim, Kelz und Vettweiß schweifen lassen möchten. Sie staunen über eine gepflegte Kulturlandschaft, die in mehreren Flurbereinigungsverfahren in den 70-iger, 80-iger und 90-iger Jahren wohl geordnet wurde und mit immer größer werdenden Maschinen bewirtschaftet wird. Der Wandel der Landwirtschaft ist auch vor hier oben nachhaltig feststellbar. Die Anzahl der Betriebe sinkt stetig, die zu bewirtschaftende Fläche steigt kontinuierlich, um auch in der Zukunft mit Getreide-, Mais-, Kartoffeln- und Rübenanbau überleben zu können. Einige Landwirte haben sich auch verstärkt dem Gemüseanbau verschrieben. Das Pferd hat die Kuh verdrängt. Pferdezucht, das Reiten auf dem Bauernhof hat Einzug gehalten. Die früher in jedem Ort vorhandenen ortsnahen Wiesen für den Tierbestand sind stark zurück gedrängt worden. Milchwirtschaft ist nur noch vereinzelt feststellbar.
Sie erkennen den Neffelbach der sich durchs entsprechende Tal windet mit den beschaulichen Wohnplätzen Sievernich, Disternich, Müddersheim, Gladbach und Lüxheim, mit den angrenzenden Waldbeständen und den sehenswerten Burgen in den einzelnen Ortschaften. Deutlich sichtbar am Ortsrand von Disternich östlich der Hallenburg das Areal des Gestüts Schlenderhahn mit seinen großen Weideflächen und schönen Pferdekoppeln.
Relativ gut erkennbar sind im Westen der Gemeinde die Spuren, die Panzer Jahrzehnte lang in die Drover Heide gezogen haben und in deren verdichteten Mulden sich nun Amphibien und Kröten wohl fühlen und seltene Tier- und Pflanzenarten erhalten und angesiedelt sind. Nicht nur für die Bewohner der Ortschaften Soller, Froitzheim und Frangenheim ist dieses Gebiet ein Kleinod, welches unmittelbar vor ihrer Haustür liegt und in das nicht nur sie zu recht nunmehr auch Einlass gefunden haben, nachdem Jahrzehnte lang Manöver in und um die Drover Heide das Leben in dieser Region der Gemeinde mitbestimmt haben.
Hoch gelegen, wie sich das für einen Wasserturm gehört, am Rande der Voreifel, erkennt man den Wasserturm Ginnick, der gleichnamigen Ortschaft vorgelagert am Rande des Ginnicker Waldes und des angrenzenden Stufenländchens mit den Naturschutzgebieten „Ginnicker Bruch“, „Bies Berg“ und „Großen Berg“. Ein Besuch dieser Region lohnt allenthalben, nicht nur weil man vor dort aus bei klarer Sicht das Siebengebirge fest ins Visier nehmen kann, auch der südliche Waldrand hinter dem Sportplatz Ginnick mit seiner Aussicht auf das Stufenländchen mit seinen gold glänzenden Rapsfeldern wird Sie bei einer Radtour für die zu überwindenden Höhenmeter entschädigen.
Und wenn es schon ein bisschen dämmert bei Ihrem Rundflug über die Gemeinde Vettweiß können sie in den Sommermonaten auf Dorfplätzen, Straßen, Hausgärten quer durch alle Ortsteile gesellige, nachbarschaftliche Aktivitäten der dort lebenden Menschen feststellen. Lichterketten, Grillfeuer, Musik und reges Treiben zeugen davon, dass es hier und dort und fast überall immer etwas zu feiern gibt. Ob nun mit der Familie, der Nachbarschaft, im Verein, als Straßenfest, als Kirmes, Sportwoche oder Schützenfest. Gründe gibt es genug, Miteinander das Leben auf dem Lande zu genießen und das nicht nur im Sommer. Der Kulturkalender der Vereine in den einzelnen Ortschaften ist reich gespickt mit den unterschiedlichsten Veranstaltungen vom Theater bis zum Karneval, vom Schützenfest bis zum Jugendball, vom Weihnachtsbasar bis zur Sportwoche, vom Traktorfest bis zur Herbstjagd. Und die in jedem Ort vorhandenen Vereinshäuser, Bürgerbegegnungsstätten, Sportheime, Turnhallen, Sportplätze bieten nicht nur die ideale Möglichkeit seinem Hobby zu frönen, sondern auch in der Gemeinschaft das soziale und gesellige Miteinander, das unsere Dörfer prägt, zu stärken und zu pflegen.
Schade, dass es dunkel wird. Wir könnten durchaus noch mal ein, zwei Runden drehen, denn es gibt noch so vieles zu sehen und zu bestaunen in einer Landgemeinde wie Vettweiß und das nicht nur aus der Vogelperspektive. Aber machen Sie doch selber mal die Erfahrung, erkunden Sie das Vettweißer Land. Sie sind herzlich eingeladen.
Josef Kranz
Hauptamtlicher Gemeindebürgermeister von 1999 - 2015