Ein merkwürdiges Geschick liegt über der Geschichte des Dorfes Vettweiß; denn sie beginnt mit einer Fälschung. Zwei Urkunden, von denen die eine im Jahre 989 durch den Kölner Erzbischof Evergerus, die andere 1032 durch den hl. Heribert ausgestellt sein soll, erwähnen schon unser „Wihse" und die Kirche daselbst; eine dritte schließlich, datiert aus dem Jahre 1072, ist von dem Kölner Erzbischof Anno gefertigt. Leider aber sind alle drei Urkunden Fälschungen, die schon vor 1136 von den Mönchen des Kölner Martinsklosters hergestellt wurden, um einen Zerfall ihres Besitzstandes zu verhindern.
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle den Zusammenhängen nachzugehen; in anderer Verbindung soll davon die Rede sein. Immerhin steht so viel fest, dass die Annourkunde aus dem Jahre 1072 doch wenigstens auf einer echten Vorlage beruht. Infolge dieser überweist der Kölner Kirchenfürst dem Kloster St. Martin den Kirchenzehnten in Vettweiß und ebenso den Zehnten in Kettenheim, den der Priester der Kirche (zu Vettweiß) innehat. Der grundherrliche Zehnt ist schon vor 1059 im Besitz des Kölner Stiftes St. Maria ad gradus. An den Besitz des Martinsklosters erinnert noch die Bezeichnung „Mönchshof", während der „Fronhof" die Erinnerung an das Marienstift wachhält.
„Wihse" heißt unser Ort also ursprünglich, wie auch heute noch der Volksmund von „Wiis" schlechthin spricht. Damit kommen wir auf den Ursprung der Siedlung, es ist der Platz in der „Weide"; althochdeutsch „wisa" ist die feuchte Grasfläche, die Viehweide. Erst im späten Mittelalter wird unser Ort, um ihn von den vielen anderen „Wies" und „Weiß" zu unterscheiden, Vettweiß genannt, d. h. „die fette Weide". Die Schreibung mit V ist rein orthographisch.
„von Wyß" nennt sich auch das älteste Adelsgeschlecht, das uns in der Geschichte von Vettweiß begegnet. Schon 1215 bekundet Abt Bruno von St. Martin in Köln, das Kloster habe dem Heinrich von Gladebach, dem Sohn des verstorbenen Vogtes Otto von Wyß, ein Gut zu Müddersheim überlassen gegen eine jährliche Rente von zehn Schilling. Unter den Zeugen bei dieser Übertragung finden wir Heinrichs Brüder Rainer und Otto. Rainer ist Vogt auf dem Mönchshof zu Vettweiß. Dieses Geschlecht saß auf der Oberburg, die wir wohl als die Hauptburg ansehen dürfen. Der gleichen Familie gehört auch jener Reinhard von Wysse an, der 1270 in Köln das Bürgerrecht erwirbt. 1415 siegelt Cointze von Wyß (Kunz = Konrad); ebenso 1431 mit ihm sein Bruder Johann van Wys, der von Abt und Konvent zu Groß St. Martin in Köln eine Hofstatt zu Vettweiß pachtet.
Der in den Jahren 1415 und 1431 genannt Cointze von Wys hatte eine Tochter Fritza, die mit Heinrich von Hackenbroich vermählt war. Auch sie sind begütert in Vettweiß. Ihre Tochter Katharina als Erbherrin des Geschlechtes heiratet vor 1520 Johann von Büchel und bringt diesem das elterliche Gut mit in die Ehe. Seitdem trägt dieser Besitz den Namen Unterburg oder Büchelsburg, wie der Volksmund heute noch sagt. Im 17. Jahrhundert finden wir die Familie von Streithagen auf der Burg; aus diesem Geschlecht stammt der bekannte Geschichtsschreiber der Herzöge von Jülich, der Heinsberger Kanonikus Peter von Streithagen. 1739 gehört das Gut der Witwe des Wilhelm von Belling, einer geborenen von Elverfeldt zu Herbede. Diese Familie erscheint zwar auch gegen Ende des 18. Jahrhunderts noch in Vettweiß; doch ist 1789 ebenfalls Ignaz von Rolshausen anteilbe rechtigt an der Büchelsburg. Die beiden anteilberechtigten Familien scheinen das Gut dann aber schon bald an einen Hofrat Klein er erwirbt 1794 auch Burg Kettenheim verkauft zu haben. Er behält es ebenfalls nicht lange in seiner Hand, sondern gibt es gleich weiter an den Vettweißer Schöffen Peter Schmitz, durch den es dann an die von Caspars kommt.
Nördlich von Vettweiß lag Burg Kettenheim als dritte der Vettweißer Burgen. Wir finden diese Ansiedlung ebenfalls schon 1072 in der gefälschten Urkunde Erzbischofs Anno erwähnt, die aber - wie wir wissen - auf einer echten Vorlage beruht. 1351 macht Gerhard Rost von Arnoldsweiler die Burg zum Lehen des Erzbischofs von Köln. Seine Tochter Agnes heiratet den Johann von Gymnich (gest. vor 1399) und bringt ihrem Gatten Kettenheim als Erbteil mit. Die von Gymnich bleiben bis zu Beginn des 18. Jahrhunderts im Besitz des Hauses; dann fällt es durch die Heirat der Philippine von Gymnich (geb. am 7. Dez. 1695) mit dem kurpfälzischen Rittmeister Freiherrn Johann Anton von Martial an diese Familie. Deren Sohn Karl Georg von Martial, vermählt mit Maria Karoline Franziska Freiin von Nivenheim, überträgt 1794 zwei Drittel des Besitzes an einen Herrn von Klein. Dann wechseln die Besitzer recht häufig. Auch das Burggebäude ist inzwischen vollständig verfallen; man errichtet an seiner Stelle eine moderne Gutsanlage.