Von dem griechischen Philosophen Heraklit von Ephesus stammt folgender bemerkenswerte Satz:
„alles geht davon und nichts bleibt“

Demnach ist in unserer Welt alles in Bewegung und nichts bleibt wie es ist.
Dies gilt gleichermaßen auch für unser Dorf Vettweiß.

In vorheriger Ausführung „Ein Streifzug durch die Geschichte von Vettweiß“

hat der HGV die Geschichte von Vettweiß in Teilbereichen über mehrere Jahrhunderte festgehalten.

In Ergänzung zu diesen Ausführungen möchten wir das Rad der Geschichte einmal anhalten und versuchen, auf die allgemeine Situation der Bevölkerung mit Anfang des vorigen Jahrhunderts näher einzugehen.

Als Grundlage hierzu das Adressbuch von Stadt und Kreis Düren aus den Jahren 1932/1933, herausgegeben vom Reichsverband der Adressbuchverleger.

In ihm ist die damalige Landbürgermeisterei Froitzheim, bestehend aus den Ortschaften Froitzheim, Frangenheim, Ginnick, Kettenheim und Vettweiß aufgeführt. Danach handelte es sich ausnahmslos um landwirtschaftlich geprägte überschaubare Ansiedlungen, die vom großen Weltgeschehen kaum berührt wurden. Straßenbezeichnung gab es für den Ort nicht. Die Anschriften wurden durchnummeriert. Fortlaufend aus Richtung Gladbach, beginnend mit der linken Straßenseite. Hausnummer 1 ab Bahnübergang und endend mit der Hausnummer 193.

Deutsche Reichsbahn

Eine einschneidende Veränderung in der Entwicklung des Dorfes brachte die Eisenbahn.
Mit der Eröffnung der Bahnstrecke von Düren über Euskirchen nach Bonn am 06.10.1864 ergaben sich für den Ort entscheidende Impulse für die Entwicklung des Güter- und Warenverkehrs sowie die Mobilität der Dorfbewohner.
Zudem gab die damalige Reichsbahn vielen Dorfbewohnern mit unterschiedlichsten Tätigkeiten Arbeit und Brot.

So werden im Adressbuch 30 Personen mit verschiedenen beruflichen Tätigkeiten aufgeführt, so als Bahnwärter, Weichenwärter, Weichensteller, Oberweichensteller, Eisenbahnarbeiter, Bahnarbeiter, Eisenbahnbeamter, Bahnhofsvorsteher oder Eisenbahnbetriebsassistent.
Der Bahnwärter, der sich in der halben Nacht mit dem Fahrrad auf den Weg zu seiner mitunter weit abgelegenen Bahnstrecken Kontrollstelle machte, tat dies gemäß dem Spruch: Des Morgens, eh die Sonn aufgeht, der Bahnwärter auf dem Posten steht, es ist so still im weiten Rund, da tönt von fern ein tiefes Signal aus der Lokomotive Schlund.“
Vorstehende Aufstellung spiegelt allerdings nicht die Vielzahl der damaligen Bahnberufe wider. So reicherten z. B. Lokführer, Heizer, Schaffner, Streckenläufer, Fahrkartenkontrolleure, Maschinisten, Bremser, Zugführer, Rottenführer, um einige zu nennen, die Berufspalette an.

Die meisten der damaligen vorgenannten Berufe bestehen heute nicht mehr, sie wurden durch vielfältige technische Installationen ersetzt.

Am 23.05.1983 wurde die zweigleisige Bahnstrecke von Düren nach Euskirchen stillgelegt. Sie rechnete sich nicht mehr, denn der Warenverkehr hatte sich inzwischen auf die Straße verlagert und die Menschen fuhren mit dem eigenen PKW.

Die vorhandenen Bahnhofsgebäude wurden veräußert und die alten Doppelgleise entsorgt. Aus strategischen Gründen hat man in späteren Jahren wieder ein einzelnes Gleis verlegt, das als Ausgleich einem sporadischen Güterverkehr diente.

Damit ging die Geschichte der Eisenbahn in Vettweiß zu Ende. Nahezu 120 Jahre hat der Ort mit und von der Bahn gelebt.

Es dauerte Jahre bis der Ruf aus den Streckennahen Dörfern nach Wiederaufnahme des Personenverkehrs immer intensiver wurde. Mit Erfolg. Die Strecke Düren – Euskirchen wurde modernisiert, zeitgemäße Haltestellen geschaffen, so dass im Jahre 2023, die Instandsetzung war abgeschlossen, der Personenverkehr durch die „Bördebahn“ Fahrplanmäßig aufgenommen wurde.

Deutsche Reichspost
Eine bedeutende Funktion nahm im Jahre 1932 auch die deutsche Reichspost ein. Im sog. Vettweißer Unterdorf gab es das Postamt mit dem Postverwalter als Leiter. Von 1865 bis 1910 befand sich das Postamt mit späterem Fernsprechverkehr in Ortsmitte.1910 erfolgte dann der Umzug. Im Adressenverzeichnis werden die posttypischen Berufe aufgeführt. Postverwalter, Postarbeiter, Briefträger, Landbriefträger, Postschaffner, Oberpostschaffner. Durch die errichtete Telegraphenstation ist auch im Verzeichnis ein Telegraphenarbeiter aufgeführt. Es ist jedoch zu vermuten, dass noch manch weitere Vettweißer Bürger bei der damaligen Post beschäftigt waren.

Landwirtschaft

Die Landgemeinde Vettweiß war im Jahre 1932 noch sehr stark agrarisch ausgerichtet. So trugen ca. 40 Personen eine diesbezügliche Berufsbezeichnung.

Es gab die Gutsbesitzer, die Landwirte, die Ackerer sowie den Gutsverwalter und den Landwirtschaftsgehilfen, um einige zu nennen.

Die Gutsbesitzer, auch „Halfen“ genannt, waren an einer Hand aufzuzählen. Die von ihnen bewirtschafteten Ackerflächen waren in der Regel deren Eigentum oder auch Pachtland.

Die Bewirtschafter von landwirtschaftlichen Betrieben deren Ertragskraft aus der Kombination von Ackerbau und Viehzucht ausreichte, um ein angemessenes Einkommen zu erzielen, waren die Landwirte.

Diese Berufsbezeichnung ist für die hiesige Gegend typisch, während sie in anderen Regionen nur vereinzelt verwendet wird. Dort spricht man traditionell vom Bauern wie von Bauernhof um die Zugehörigkeit zu einen bestimmten Berufsstand aus zu drücken.

Ackerer waren diejenigen, die nur über eine geringe Ackerfläche und einen kleinen Viehbestand verfügten. Deren Ertragskraft reichte kaum zum Bestreiten des Lebensunterhaltes. Nach heutiger Lesart würde man von Teil- oder Nebenerwerbslandwirten sprechen. Man war auf ein Zubrot angewiesen und suchte und fand es bei den unterschiedlichsten Tätigkeiten.

Zum Thema Landwirtschaft abschließend noch einige Daten zu den landwirtschaftlichen Verhältnissen in der Ortschaft Vettweiß.

Wegen der guten und ertragreichen Böden der Zülpicher Börde wurde in erster Linie Ackerbau nach der rheinischen Fruchtfolge- Rüben, Weizen, Hafer, Gerste - betrieben.
Dagegen setzten die im Jahresdurchschnitt geringen Niederschlagsmengen der Weidewirtschaft mit entsprechenden Viehbeständen enge Grenzen.

Die Einwohnerzahl des Dorfes war von 1060 im Jahre 1885 auf 1320 im Jahre 1965 gestiegen.
Die landwirtschaftliche Nutzfläche betrug ca. 920 ha. aufgeteilt in 750 Teilparzellen, entsprechend einer Durchschnittsgröße von 1,23 ha je Parzelle.
Die Bewirtschaftung der Felder erfolgte überwiegend durch Pferde- rheinisches und belgisches Kaltblut- und in geringem Maße durch Ochsen.
Der erste Traktor kam in den dreißiger Jahren auf dem Mönchhof zum Einsatz. Es handelte sich um einen eisenbereiften Lanz Bulldog. Zuvor hatte sich der Dampfpflug wegen der kleinen Parzellen als nicht rentierlich erwiesen.

Vor dem Beginn der Mechanisierung und deren Weiterentwicklung war Handarbeit das Gebot der Stunde. So waren in den damals registrierten 49 landwirtschaftlichen Betrieben noch 51 familieneigene Arbeitskräfte und 20 fremde Kräfte hauptberuflich tätig. Dazu kamen noch die vielen Aushilfskräfte über deren genaue Anzahl keine Unterlagen vorhanden sind.

In früheren Jahren spielte als sinnvolle Ergänzung zum Ackerbau die Rindviehhaltung eine besondere Rolle. So wurden im Jahre 1966 von den 220 erfassten Milchkühen noch 980000 kg Milch an die ortsansässige Molkerei geliefert. Dieser damals einträgliche Betriebszweig gehört längst der Vergangenheit an. Dieses Kapitel ist beendet. Milchkühe gibt es in Vettweiß nicht mehr.

Heute, im Jahre 2023, kann man die verbliebenen landwirtschaftlichen Betriebe an einer Hand abzählen. Große Ackerparzellen werden mittels technisch ausgereifter Maschinen bewirtschaftet. Dabei werden auch Lohnunternehmer eingesetzt. Für landwirtschaftliche Arbeiter gibt es in Vettweiß praktisch keine Arbeit mehr.

Arbeiter

Im Adressbuch geben 70 Personen ihren Beruf mit Arbeiter unterschiedlichster Art an. Es gab den normalen Arbeiter, den Fabrikarbeiter, den landwirtschaftlichen Arbeiter, den Tagelöhner, den Viehwärter und den Lagerarbeiter. Dazu werden genannt: Schmiedegeselle, Betriebsmonteur, Bierkutscher, Elektro-Hilfsmonteur, Heizer, Maschinist, Gastwirtschafts-Gehilfe, Totengräber.

Von den vermerkten 70 Personen bezeichneten sich 32 als Arbeiter. Sie bestritten ihren Lebensunterhalt durch physisch schwere körperliche Arbeit als Hilfskräfte in den unterschiedlichsten Berufszweigen. Mit Vollendung des achten Volksschuljahres war ihre schulische Ausbildung beendet und man begann mit der körperlichen Arbeit da, wo man eine Arbeit fand oder man hatte eine von den Eltern ausgewählte Stelle anzutreten. Ohne wenn und aber.
Bemerkenswert ist, dass von den 32 Arbeitern nur eine weibliche Person sich als Arbeiterin im Adressbuch bezeichnete.

Dreizehn Personen waren laut Einwohnerliste als Fabrikarbeiter tätig. Sie fuhren mit dem Zug nach Düren, sie hatten einen Arbeitsplatz in den dortigen Fabriken gefunden. Gearbeitet wurde dort sehr oft im Dreischichtbetrieb, in der Regel bis samstags Mittag. Die zu verrichtende Arbeit war mitunter sehr hart, wurde aber auch besser bezahlt als in der Landwirtschaft.

Ein Arbeiter wurde im Kaiserreich bis ins Jahr 1891 mit durchschnittlich 58 Reichsmark mtl. entlohnt. Ab 1891 bis 1918 stieg das mtl. Einkommen auf rund 150 RM. Wegen der Inflation der frühen 1920 Jahre kam es zu einem rasanten Anstieg auf durchschnittlich mtl. 200 Reichsmark um dann im Zuge der Weltwirtschaftskrise Ende der 20 und Anfang der 30 Jahre auf ca. 120 Reichsmark zu fallen.

Es ist leicht auszumalen, dass es eine Zeitepoche war, die als Armut beschrieben noch leicht übertrieben scheint.

Als Tagesverpflegung nahmen die Arbeiter von daheim einen Mitt, ein tragbares Essgeschirr, mit zur Arbeit, da Werkskantinen zu dieser Zeit noch reine Illusion war. Der Inhalt des Geschirrs bestand aus Kartoffeln, Gemüse, Mehlschwitze und hin und wieder aus einem kleinem Stück Fleisch. Es waren meist die Essensreste der Familie vom Vortag.
Für die Kaffeepause war ein spärlich belegtes Butterbrot aus Schwarz- und Graubrot eingepackt, Muckefuck, der wohlige Kaffee Verschnitt, wurde in der Regel vom Arbeitgeber gestellt.

Von den in der Landwirtschaft tätigen Personen bezeichneten sich im Adressbuch acht als landwirtschaftliche Arbeiter und zwei als Knechte. Die Grenzen zwischen den beiden Berufsbezeichnungen sind aber fließend.
Ursprünglich wurde nur von den Knechten gesprochen, die Bezeichnung des landwirtschaftlichen Arbeiters kam erst Jahre später auf.

Die Knechte bildeten die Stammmannschaft eines jeden bäuerlichen Betriebes. Sie waren angesehene Persönlichkeiten, denn sie konnten sämtliche anfallenden Arbeiten selbstständig und fachgerecht erledigen. Es gab den Meisterknecht, den Koppelknecht, den Pferdeknecht, den Stallknecht, den Hofknecht, den Hausknecht und als letzten in der Hierarchie den Jungknecht, auch Engk genannt.

Das Arbeitsverhältnis zwischen Bauer und Knecht war in der Regel schriftlich per Arbeitsvertrag geregelt. Aus den noch vorhandenen Aufzeichnungen des Frohnhofes sei folgendes Beispiel erwähnt:
„Der Dienstknecht Gottfried Klein verdient als Lohn 30 Thaler, 20 Scheffel Kohlen frei Ortschaft Kelz und 2 Thaler Mietgeld, welche er am 21. Februar erhalten hat (Empfänger sein Vater). Vereinbarte Dienstzeit Februar 1875 bis 1876 den 4. Februar.“ (Kaufkraft eines Preußenthalers von 1875 ergab in 2017 ca. neun Euro).

Danach endete das Dienstverhältnis automatisch, oder wurde um ein Jahr verlängert.

Im Jahre 1932 lebten in Vettweiß drei Familien, die ihren Beruf mit Viehwärter Angaben. Hiervon hatten zwei Familien die schweizerische Nationalität. Von ihrer Herkunft her waren sie in der Pflege des Rindviehs sehr bewandert. Man nannte sie einfach nur „die Schweizer“. In späteren Jahren kamen Familien aus Holland hinzu, welche die Pflege der Tiere und die Wartung der Stallungen übernahmen und fortführten. Von der Bevölkerung wurden sie in Anlehnung ihrer Vorgänger auch nur „die Schweizer“ genannt. Dies führte dazu, dass die ursprüngliche Bezeichnung Viehwärter durch die Berufsbezeichnung Schweizer abgelöst wurde.
Da in Vettweiß keine Milchkühe mehr gehalten werden, gibt es auch keine „Schweizer“ mehr.

Im Adressbuch geben fünf Familien an, dass der Familienvorstand als Tagelöhner für den Unterhalt verantwortlich sei. Es waren dies Personen, die kein festes Arbeitsverhältnis hatten und bei wechselnden Arbeitgebern Hilfs-, Gelegenheits- oder Saisonarbeiten ausführten.

Handel, Handwerk und Gewerbe

Eine Vielzahl von Personen war in den Bereichen Handel, Handwerk und Gewerbe tätig. Eine genaue Abgrenzung bzw. Zuordnung der einzelnen Berufszweige ist heute nur noch schwer möglich. Zudem übten manche Personen mehrere Berufe gleichzeitig aus, da die Existenzgrundlage eines Berufes als solchem nicht ausreichend war. Dabei kam es auch zu Überschneidungen, die es mit Improvisation und Wohlwollen zu bewältigen galt.

Die Mannigfaltigkeit der beruflichen Tätigkeiten ergibt sich aus nachstehenden Ausführungen.

Als Kaufleute bezeichneten sich dreizehn Personen. Es waren Handelsleute, die als Einzelkaufleute oder als Gesellschafter von Handelsgesellschaften überwiegend Waren handelten, die mit der Landwirtschaft in Zusammenhang standen. Sie vermarkteten die vielfältigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse und beschafften die benötigten Betriebsmittel wie Kunstdünger, Kraftfutter, Saatgut sowie auch landwirtschaftliche Geräte.

Zudem nahm der Handel mit Pferden sowie Groß- und Kleinvieh einen breiten Rahmen ein. So gaben fünf Vettweißer Bürger ihren ausgeübten Beruf als Viehhändler an. Es waren überwiegend Mitbürger mosaischen Glaubens.

Sechs Personen übten das Schneiderhandwerk aus. Es gab den Herrenschneider, den Damenschneider, die Weißnäherin, die Schneiderin sowie die Näherinnen. Modische Kleidung wie einfachste Flickarbeiten wurden ausgeführt, per Hand mit Nadel, Schere, Faden, Bügeleisen und einer einfachen Nähmaschine.

Die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und einfachen Haushaltswaren erfolgte über sechs Kolonialwarengeschäfte. So wurden bis in die 70iger Jahre die Lebensmittelgeschäfte bezeichnet. Im Kolonialwarengeschäft konnte man aus dem Sortiment auch vorwiegend überseeische Lebens- und Genussmittel erwerben. Insbesondere Zucker, Kaffee, Tabakwaren, Reis, Kakao, Gewürze und Tee.

Die klassischen Lebensmittelgeschäfte mit ihrem engen Sortiment gibt es heute nicht mehr. An deren Stelle sind riesige Supermärkte mit einem breiten Sortiment und tausenden Artikeln getreten. Überflussgesellschaft und Konsumterror bestimmen heute das Kaufverhalten der Menschen.

Eine wesentliche Bedeutung für das kulturelle Leben des Dorfes hatten die sechs Gastwirtschaften. Sie waren der eigentliche kulturelle Mittelpunkt des dörflichen Lebens. Man traf sich in seiner Stammkneipe zum Kegeln, zum Kartenspiel, zum sonntäglichen Frühschoppen, zum Dämmerschoppen, zu Versammlungen seines Vereins, jeder Verein hatte schließlich sein Vereinslokal, oder nur „zom Verzäll“.

Einige Gastwirtschaften hatten auch einen Saal, wo sich das vielfältige gesellschaftliche Leben im Laufe des Jahres abspielte.

Als Speiselokal waren die Gaststätten damals nicht ausgerichtet. Zum Standard gehörte ein Glas mit Soleiern, welches auf der Theke stand, sowie selbst gemachte Frikadellen und im günstigsten Fall ein Käseschnittchen.

Im übrigen konnte man von einer dörflichen Wirtschaft alleine nicht leben. Der Gastwirt hatte in der Regel noch andere Einnahmequellen.

Das Schmiedehandwerk wurde von drei Personen ausgeübt. Ihr Tätigkeitsbereich beschränkte sich in erster Linie auf die Bedürfnisse des Dorfes. Man fertigte einfache landwirtschaftliche Maschinen, Handwerkszeuge und Geräte an und führte Reparaturen jeglicher Art durch.

Zudem war in Anbetracht der vielen in der Landwirtschaft arbeitenden Pferde der Hufbeschlag eine wesentliche Einnahmequelle. Dabei fertigten die Schmiede die für jedes Pferd passenden Hufeisen in den Wintermonaten selbst an. Quasi eine Fertigung auf Vorrat, die einen bei Bedarfnotwendigen Beschlag zeitlich minimierte.

Es bleibt noch anzumerken, dass den Hufeisen seit jeher eine magische Bedeutung beigemessen wurde. Ein gefundenes Hufeisen galt und gilt auch heute noch als Glücksbringer. Auch war es Usus, dass abgenutzte Hufeisen in den jeweiligen Pferdestall Boxen einen Andenkenplatz erhielt in liebevoller Anerkennung der erbrachten Leistung des Pferdes.

Während in früheren Jahren das tägliche Brot in einem gemeinschaftlichen Backhaus gebacken wurde, ist ein solche für Vettweiß nicht belegt. Doch gab es als Nebenbau zu vielen Häusern einen mit Holz befeuerten Backofen. „Em Backes“ war Platz und Zeit auch für die Nachbarschaft und für Verwandte abzubacken.

Es gaben jedoch auch im Ort auch zwei Bäckereien mit eigenem und größerem Bachofen, der durch Kohle und Brikett auf Temperatur gehalten wurde und über eine Zusatzleitung warmes Wasser abgab. In den dazu gehörigen Bäckerläden wurde ein umfangreiches Sortiment an Brot zum Verkauf angeboten.
Es wurden Roggen- und Weizenmehl im Wesentlichen zu Roggenbrot (Schwarzbrot), Graubrot (Röggel), Weißbrot (Weck) und Brötchen (Klöppele) gebacken.
Nicht nur zu besonderen Anlässen wurden kalorienreiche Kuchen oder die Feingebäck Teilchen gebacken, auch für den Nachmittagskaffee waren sie verlockend. So ist überliefert, dass sich trotz schwierigem Haushaltsstand ab und an ein „Aufgalopp“ für das Gemüt gegönnt wurde.

Zudem betrieben die beiden Bäckereien das damals übliche Lohn- und Umtauschgeschäft. Im ersten Fall fertigten die Frauen daheim die Backwaren an, brachten diese zum Abbacken in die Bäckerei und zahlten für diesen Dienst lediglich den vereinbarten Backlohn. Im zweiten Fall, von den Bauern sehr oft praktiziert, lieferten diese Roggen und Weizen an den Bäcker und erwarben damit das Anrecht auf eine bestimmte Anzahl von Broten.

Mit Abschluss der Elektrifizierung des Ortes im Jahre 1901 wurde in Vettweiß eine Getreidemühle in Betrieb genommen. Sie hatte eine geringe Kapazität und wurde mit Strom betrieben. Gegenüber den am nahen Neffelbach gelegenen und mit Wasserkraft betriebenen Mühlen konnte sie wirtschaftlich nicht konkurrieren und wurde dann auch irgendwann geschlossen.

Präsent war ein großes Lohndruschunternehmen, welches mit mehreren großen Dreschsätzen nahezu die gesamte Getreideernte von Vettweiß und der Nachbardörfer bewältigte. Mit Einführung der Mähdrescher nahte ab 1950 sehr schnell das Ende des konventionellen Lohndruschs.

Zu der hier beschriebenen Zeit gab es in Vettweiß zwei Metzgereien und einen Lohnschlächter. Beide Metzgereien verfügten über ein eigenes Schlachthaus mit Wurstküche und einem Verkaufsladen. Von beiden Metzgern wurde die Lebendvermarktung praktiziert, was heute kaum noch üblich ist. Verwertet wurden sämtliche Teile des geschlachteten Tieres, auch die minderwertigen Stücke. Aus diesen konnte man durchaus leckere Speisen bereiten, die heute nicht mehr gefragt sind.
Neben der zur Haltbarmachung des Fleisches dienenden großer Räucherkammer war das Kühlhaus von besonderer Bedeutung. Hier konnten die Kunden das von ihnen erworbene Fleisch auch kurzfristig deponieren, denn einen eigenen Kühl- oder Gefrierschrank hatte man noch nicht.

In vielen Haushaltungen wurde zu damaliger Zeit für den Eigenbedarf noch ein Schwein gemästet und von einem Lohnschlachter fachgerecht verarbeitet. Nach dem Töten wurde die Sau gebrüht oder mit Weizenstroh geflämmt und danach in ihre Einzelteile zerlegt. Das Fleisch kam vor der Weiterverarbeitung zuerst in den Särk, eine mit Blockeis gekühlte Truhe. Die gefertigte Wurst wurde in Därme und in Einmachgläser gefüllt und eingeweckt.

Das Schweineschlachten war stets eine feierliche Angelegenheit. Auch die Nachbarschaft nahm daran Anteil, denn sie erhielt zumindest ein Stück Leber- und Blutwurst sowie ein Gefäß mit Wurstbrühe. Das ergab dann eine leckere Suppe.

Die Hausschlachtungen gehören heute seit einigen Jahrzehnten der Vergangenheit an. Im Ort gibt keine Familie mehr, die ein einzelnes Schwein für den Eigenbedarf hält.

Im Jahre 1932 gab es in Vettweiß fünf Personen, die das Handwerk des Schuhmachers betrieben.

Gummistiefel und sogenannte Outdoorschuhe, aus unterschiedlichsten Materialien gefertigt, kannte man nicht. Es gab nur Lederschuhe, die größten Teils vom Schuster selbst gefertigt wurden. Hierzu benutzte er ein aus Holz gefertigtes Formstück, den sogenannten Leisten, auf dem der Schuh aufgebaut wurde.

Arbeitsschuhe wurden aus strapazierfähigem Rindsleder hergestellt., die Schuhsohlenmit Nägeln beschlagen und die Absätze mit einem Hufeisen aus Metall ausgestattet. Zur nötigen Geschmeidigkeit und zur Pflegte kam Fischtran zur Verwendung.

Für die Schuhe der Frauen, für die Sonntagsschuhe der Männer und für orthopädische
Maßanfertigungen verwendete man natürlich feineres Leder, welches sich auch im Preis rechnete. Schon aus diesem Grund ward diesen Schuhen eine über Jahre lange Tragezeit gewährt.

An das handwerkliche Können der Schumacher wurden hohe Anforderungen gestellt. Es gab u.a. Spezialisten für Lederstiefel und Gamaschen. Wer den handwerklichen Anforderungen nicht entsprach, betätigte sich als Flickschuster.

In den Bau von Häusern, landwirtschaftlichen Gebäuden sowie vielfältigen baulichen Einrichtungen und deren Unterhaltung waren siebzehn Personen eingebunden. Es gab sieben Maurer, drei Schreiner, drei Anstreicher, zwei Zimmerleute, einen Pflastere und einen Dachdecker, die mit damals vorhandenen einfachsten technischen Mitteln ihre Arbeit ausführten.

In Ergänzung zu den vielfältigen Aufgaben der Handwerksbetriebe betätigten sich auch noch drei Schlosser. Schlosserarbeiten gab es viele im Ort, sie wurden von den Spezialisten wahrgenommen.

Das breite Spektrum unterschiedlichster Berufe wird noch laut Adressbuch wie folgt ergänzt:

Zwei Handelsvertreter, zwei Autovermieter, ein Molkereidirektor, je einen Sattler, Stellmacher, Totengräber, Friseur, Rendant, Uhrmacher, sowie eine Hebamme, eine Krankenpflegerin und eine Kurzwarenhändlerin.
Nähere Ausführungen zu den vorgenannten Berufen würden den Rahmen dieser Arbeit sprengen.

Witwen

Im Jahre 1932 gaben 39 Personen ihren Familienstand mit Witwe an, davon 29 mit dem Anhang ohne Beruf.

Die wirtschaftliche Situation der Witwen war äußerst schwierig um nicht zu sagen desolat. Die Renten waren äußerst knapp bemessen und reichten zu Bestreitung des Lebensunterhaltes kaum aus. Kindergeld sowie die heute als selbstverständlich angesehenen sozialen Leistungen gab es nicht. So waren die Frauen gezwungen, durch Arbeiten jeglicher Art ein Zubrot zu verdienen oder wurden unterstützend von ihren Familien aufgefangen. Eine Kriegerwitwe erhielt, gestaffelt nach dem Dienstgrad ihres gefallenen Mannes, 600 RM jährliche Witwenrente bei einfachem Dienstgrad. Für Unteroffiziere und Feldwebel wurden Jahresrenten von 600 und 700 Reichsmark gezahlt.

Auch war zu der beschriebenen Zeit Kinderarbeit üblich. Jeder musste zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten beitragen. Die Kinder arbeiteten meist in der Landwirtschaft; dort gab es viele Arbeiten die von den Kindern leicht zu erledigen waren und mit einem geringen Entgelt, oft auch nur mit Beköstigung, vergütet wurden.

Ohne Beruf

Gleichfalls hatten sich 19 Personen als „ohne Beruf“ bezeichnet. Es waren in der Regel Männer und Frauen ohne Berufsausbildung oder spezieller Qualifikation. Sie waren ohne ein festes Arbeitsverhältnis, jedoch bereit alle gebotenen Arbeitsmöglichkeiten anzunehmen.

Rentner

Nur vier Personen bezeichneten sich als Rentner. Diese Anzahl scheint sehr gering. Sie kann nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen. Im Gegensatz zu heute war das Rentnerdasein offensichtlich keine erstrebenswerte Lebensphase.

Invalide

Gleichfalls ist es sehr unwahrscheinlich, dass es in Vettweiß nur einen Invaliden gegeben haben soll. Schwere Kriegsverwundungen und Berufsunfälle führten damals schon zur staatlich bescheinigten Invalidität. Die dokumentierte Zahl kann daher schwerlich zutreffen.

Sonstige Anschriften

In der Volksschule Vettweiß waren damals vier Lehrpersonen tätig. Die Leitung der Schule oblag dem Hauptlehrer, dem ein Lehrer und zwei Lehrerinnen zur Seite standen.
Die Ausbildung der Lehrer war speziell auf den Unterricht in der Volksschule ausgerichtet. Die Reifeprüfung war nicht erforderlich. Man besuchte die Präparandenanstalt und das Lehrerseminar. Nach erfolgreichem Abschluss wurden die Absolventen zum Lehrer bestellt.

Die staatliche Macht wurde von zwei Polizeibeamten, einem Polizei Hauptwachmeister und einem Oberlandjäger repräsentiert.

Der Vollständigkeit halber seien noch folgende bemerkenswerte Personen aufgeführt:
Ein Pfarrer als Repräsentant der Kirche, der Bürgermeister als Vertreter der weltlichen Macht, ein Tierarzt, ein Sanitätsrat als praktischer Arzt, ein Apotheker und ein Dentist.

Abschließend sei noch diese für den Ort und seine Bevölkerung äußerst wichtige Anschrift erwähnt:
Sankt Josefshaus Vettweiß
Hier, in der ehemaligen Villa Schwecht, unterhielten die Heiligenstädter Schulschwestern einen Konvent. Sie übten ihre segensreiche Tätigkeit durch ambulante Kranken- und Altenpflege aus. Zudem unterhielten sie eine „Kinderbewahrschule“, eine Koch- sowie eine Handarbeitsschule.

Das Kloster, das in der Nachkriegszeit von Schwestern vom Orden der Cellitinnen geführt wurde, besteht nicht mehr. Die Baulichkeiten einschließlich der umfangreichen Außenanlagen hat die Pfarrgemeinde St. Gereon inzwischen veräußert.

Schlussbemerkungen

Vorstehende Ausführungen beruhen ausschließlich aus den im Adressbuch von Stadt und Kreis Düren 1932/33, herausgegeben vom Reichsverband der Adressbuchverleger, gemachten Angaben. Inwieweit diese den tatsächlichen damaligen Verhältnissen entsprechen kann mangels heute vorhandener Unterlagen nicht schlüssig beantwortet werden. Es ist auch offen, ob es sich um Selbstauskünfte oder um amtliche Unterlagen der Amtsverwaltung handelt.

In jedem Falle geben sie ein Spiegelbild des damaligen vielfältigen wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in Vettweiß wider.

Viele der erwähnten Berufe gibt es nicht mehr, sind in anderen Berufen untergegangen oder werden in veränderter Form ausgeführt.
Das berufliche Spektrum ist heute im Übrigen vielfältiger als in den dreißiger Jahren. Viele neue Berufe sind hinzugekommen, die es in früheren Zeiten nicht gab. Die schulischen Bildungsmöglichkeiten sind weit gefächert und bieten eine breite Basis für die berufliche Entwicklung der Menschen.

Ganz besonders bietet sich jetzt für die Frauen die Möglichkeit einen Beruf zu erlernen und finanziell notwendigenfalls unabhängig zu sein, ein einschneidender Fortschritt.

Bei einem Spaziergang durch den Ort mit den neuen Baugebieten, den neuen Straßen und der Vielzahl neuer Häuser kann man den Wandel weg vom ländlich strukturierten Bauerndorfklar erkennen.

Eine zeitnahe Untersuchung der derzeitigen strukturellen Verhältnisse der Gemeinde und deren Vergleich zu den im behandelten Adressbuch Gegebenheiten ist sicherlich eine interessante und lohnende Aufgabe, die vom HGV wahrgenommen werden wird.

Von Hers im April 2024