Prozessionen und Wallfahrten gehörten seit jeher und gehören auch heute noch zum wesentlichen Teil des Lebens in einer Gemeinde; so auch in Vettweiß, allerdings nur in gegenüber früher abgespeckter Form.
Wallfahrten sind als die auffälligste Form der Heiligenverehrung anerkannt.

Über Jahrhunderte haben selbst stark propagierte Wallfahrtsabneigungen der Aufklärungszeit, Behinderungen während der „Franzosenzeit“ von 1794-1814, durch spalterische Auflagen während der westlichen „Preußenzeit“ von 1815 - bis in die 1930ger Jahre und auch durch Verbote keinen abtrünnigen Einfluss auf den Umgang mit Wallfahrten gehabt. Die private Frömmigkeit entzog sich, leicht schwindelnd ausmachend und deshalb täuschend echt praktiziert, einer sich ausbreitenden ungewollten obrigkeitshöriger Reglementierung. Wenn auch einem Großteil der bürgerlichen Heiligen auf Dauer leider nur noch lokale und dadurch verminderte Bedeutung beigemessen wurde, so verspürten die „großen Wallfahrtsorte“ eine zunehmende Wallfahrtsbeliebtheit.
Ab dem Jahre 1934 wurde es dann aber für Wallfahrer- und Pilgerorganisationen ungemütlich.
Die Organisationen und Durchführungen der großen Prozessionen und Wallfahrten war mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft stetig steigenden Schikanen ausgesetzt.
Für den Nationalsozialismus, er war im Grunde religionsfeindlich, waren die Prozessionen und Wallfahrten, ein Dorn im Auge. Es galt das Ziel, diese aus dem öffentlichen Leben gänzlich zu verdrängen.
Dieses Ziel erreichte man durch eine Vielzahl von „Nadelstichen“. So wurde nach einem folgenschweren Erlass des Regierungspräsidenten vom 15. Mai 1934 erstmals die Betätigung kirchlicher Verbände „im Interesse von Ruhe, Sicherheit und Ordnung und um der Einheit der Volksgemeinschaft willen“ beschränkt. Im Zuge dieses Erlasses folgten viele Einzelmaßnahmen, welche die üblichen kirchlichen Veranstaltungen behinderten oder verhinderten.
Ab dem 01. Januar 1938 bedurften Prozessionen, Wallfahrten und kirchlich vorgeschriebene Bischofsempfangsprozessionen dann einer polizeilichen Erlaubnis, so auch in Vettweiß.
Die Genehmigungsverfahren waren sehr aufwendig und restriktiv. Es gab eine Vielzahl von im Einzelfall willkürlich festgelegten Auflagen, die letztlich die Durchführung der Prozessionen erschwerten, sogar unmöglich machten.
Schließlich wurden am 17.05.1940 durch einen Erlass des Oberpräsidenten der Rheinprovinz alle öffentlichen Aufzüge, „im Hinblick auf die gegenwärtige Lage“, verboten.
Auf kircheneigenem Gelände, im unmittelbaren Kirchenbereich, waren Prozessionen allerdings ohne polizeiliche Genehmigung statthaft. So wurde die alljährliche Fronleichnamsprozession auf dem Gelände des aufgelassenen Friedhofes rings um die Pfarrkirche gehalten. Das Missionskreuz wurde als Altar hergerichtet und festlich geschmückt. Dort wurde dann auch er einzige sakramentale Segen außerhalb der Kirche erteilt.
Mit Ende der Naziherrschaft wurden die dörflichen Prozessionen mit übergroßer Beteiligung der Bevölkerung wieder aufgenommen, wobei die Personen, die noch vor kurzer Zeit deren Durchführungsverbote verfügt hatten in gut wahrnehmbaren Positionen der jeweiligen Prozessionen auszumachen waren.

Prozessionen


Die Auflistung der Prozessionen, der Wallfahrten und die der Pilgerfahrten der Kirchengemeinde Vettweiß hat fast die Ausmaße eines Kalenders.
Wie eingangs erwähnt, können Jahrhunderte alte Traditionen nicht mehr beibehalten oder nur noch in „abgespeckter Form“ durchgeführt werden. Überaus große Beteiligungen an Prozessionen und Pilgerfahrten waren nachweislich immer in Zeiten der Not zu registrieren. Doch auch angenehmere Zeiten, die der Menschen Wunsch sind, verleiten zu einer Teilnahme, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen eine Teilnahme ausschließen. Es sind die gedanklichen, die seelischen Werte, die jemanden sinnbildlich und innerlich an Gedenkprozessionen, an Wallfahrten oder Pilgerfahrten teilnehmen lassen.


Skript: „herS“ im Oktober 2024