Prozessionen und Wallfahrten gehörten seit jeher und gehören auch heute noch zum wesentlichen Teil des Lebens in einer Gemeinde; so auch in Vettweiß, allerdings nur in gegenüber früher abgespeckter Form.
Wallfahrten sind als die auffälligste Form der Heiligenverehrung anerkannt.
Über Jahrhunderte haben selbst stark propagierte Wallfahrtsabneigungen der Aufklärungszeit, Behinderungen während der „Franzosenzeit“ von 1794-1814, durch spalterische Auflagen während der westlichen „Preußenzeit“ von 1815 - bis in die 1930ger Jahre und auch durch Verbote keinen abtrünnigen Einfluss auf den Umgang mit Wallfahrten gehabt. Die private Frömmigkeit entzog sich, leicht schwindelnd ausmachend und deshalb täuschend echt praktiziert, einer sich ausbreitenden ungewollten obrigkeitshöriger Reglementierung. Wenn auch einem Großteil der bürgerlichen Heiligen auf Dauer leider nur noch lokale und dadurch verminderte Bedeutung beigemessen wurde, so verspürten die „großen Wallfahrtsorte“ eine zunehmende Wallfahrtsbeliebtheit.
Ab dem Jahre 1934 wurde es dann aber für Wallfahrer- und Pilgerorganisationen ungemütlich.
Die Organisationen und Durchführungen der großen Prozessionen und Wallfahrten war mit Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft stetig steigenden Schikanen ausgesetzt.
Für den Nationalsozialismus, er war im Grunde religionsfeindlich, waren die Prozessionen und Wallfahrten, ein Dorn im Auge. Es galt das Ziel, diese aus dem öffentlichen Leben gänzlich zu verdrängen.
Dieses Ziel erreichte man durch eine Vielzahl von „Nadelstichen“. So wurde nach einem folgenschweren Erlass des Regierungspräsidenten vom 15. Mai 1934 erstmals die Betätigung kirchlicher Verbände „im Interesse von Ruhe, Sicherheit und Ordnung und um der Einheit der Volksgemeinschaft willen“ beschränkt. Im Zuge dieses Erlasses folgten viele Einzelmaßnahmen, welche die üblichen kirchlichen Veranstaltungen behinderten oder verhinderten.
Ab dem 01. Januar 1938 bedurften Prozessionen, Wallfahrten und kirchlich vorgeschriebene Bischofsempfangsprozessionen dann einer polizeilichen Erlaubnis, so auch in Vettweiß.
Die Genehmigungsverfahren waren sehr aufwendig und restriktiv. Es gab eine Vielzahl von im Einzelfall willkürlich festgelegten Auflagen, die letztlich die Durchführung der Prozessionen erschwerten, sogar unmöglich machten.
Schließlich wurden am 17.05.1940 durch einen Erlass des Oberpräsidenten der Rheinprovinz alle öffentlichen Aufzüge, „im Hinblick auf die gegenwärtige Lage“, verboten.
Auf kircheneigenem Gelände, im unmittelbaren Kirchenbereich, waren Prozessionen allerdings ohne polizeiliche Genehmigung statthaft. So wurde die alljährliche Fronleichnamsprozession auf dem Gelände des aufgelassenen Friedhofes rings um die Pfarrkirche gehalten. Das Missionskreuz wurde als Altar hergerichtet und festlich geschmückt. Dort wurde dann auch er einzige sakramentale Segen außerhalb der Kirche erteilt.
Mit Ende der Naziherrschaft wurden die dörflichen Prozessionen mit übergroßer Beteiligung der Bevölkerung wieder aufgenommen, wobei die Personen, die noch vor kurzer Zeit deren Durchführungsverbote verfügt hatten in gut wahrnehmbaren Positionen der jeweiligen Prozessionen auszumachen waren.
Prozessionen
Allerheiligen
Im Jahreskreis der kirchlichen Feste nahm Allerheiligen einen besonderen Rang ein. Es war ein Familienfest und die Verwandten kamen von nah und fern um ihrer lieben Verstorbenen zu gedenken. Am Nachmittag war eine Festandacht, die ganz dem Gedächtnis der Verstorbenen gewidmet war. Die Kirche war bis auf den letzten Platz besetzt und die Namen der Toten des vergangenen Jahres wurden verlesen. Danach zog eine große Prozession, den Rosenkranz betend, zum nahen gelegenen Friedhof. Der Herr Pastor sprach sodann noch ein kurzes Gebet und segnete die festlich gepflegten Gräber. Der offizielle Teil war jetzt beendet und es begann der „gemütliche Teil“ der Veranstaltung. Man bewunderte die neue Wintermode der Frauen und begrüßte alte Bekannte, die man oft ein Jahr nicht mehr gesehen hatte. Schließlich traf man sich zur gemeinsamen Kaffeetafel im Familienkreis. Nicht zuletzt der Abendspaziergang zum Friedhof. Die mit vielen Kerzen und illuminierten Leuchten geschmückten Gräber boten in der Dunkelheit ein anheimelndes, unvergessliches Bild. Die traditionelle Prozession von der Pfarrkirche zum Friedhof findet auch heute noch statt, allerdings in anderem Rahmen. Die Andacht am Nachmittag mit anschließendem Gang zum Friedhof einschließlich der Segnung der Gräber werden ausschließlich von engagierten Laien wahrgenommen.
Novemberprozession
Nur wenige Vettweißer Bürger erinnern sich noch an die aus Anlass des Bombenangriffes vom 30. November 1944 durchgeführte Prozession zum Friedhof, vom Verfasser als Novemberprozession bezeichnet.
Am 30. November 1944 wurde das Mitteldorf von Vettweiß, Teile des Oberdorfes und der heutigen Schulstraße durch einen verheerenden Bombenangriff zerstört. Gegen Mittag warfen Bomber der US Air Force ihre Bombenlast ab. Dabei kamen 38 Zivilisten, 5 Fremdarbeiterinnen aus der Ukraine und 26 Soldaten ums Leben.
Die Ziviltoten wurden auf unserem Friedhof in einem separaten Gräberfeld begraben. Nach dem Kriege zog jeweils am 30. November nach der Morgenmesse eine kleine Prozession betend zu diesem Gräberfeld hin.
Inzwischen ist dieses Gräberfeld eingeebnet und die anlässliche Prozession ist Vergangenheit. Bereits wenige Monate nach Kriegsende wurden die Leichname der gefallenen Soldaten auf den Ehrenfriedhof Hürtgenwald umgebettet.
Die Namen der Toten bleiben jedoch unvergessen, denn sie sind auf dem örtlichen Ehrenmal in würdiger Weise verewigt.
Prozession zur Dreifaltigkeitskapelle
Am ersten Sonntag nach dem hochheiligen Pfingstfest wird in der Gemeinde St. Gereon das Fest der allerheiligsten Dreifaltigkeit gefeiert. Höhepunkt dieses Festes sind seit jeher die Prozessionen aus Vettweiß und Kelz zur Dreifaltigkeitskapelle.
Sie liegt einsam in der Unkelmaar an der ehemaligen Aachen Frankfurter Heerstraße und ist der einzige noch vorhandene alte Sakralbau der Pfarre. In der Kapelle befindet sich ein schönes und wertvolles Altarbild, die Allerheiligste Dreifaltigkeit darstellend. Es wurde von dem in Zülpich geborenen und in Düsseldorf verstorbenen Professor Hubert Salentin gemalt. Aus Sicherheitsgründen wird das Bild während des Jahres im Pfarrhaus aufbewahrt und lediglich am Dreifaltigkeitssonntag in der Kapelle ausgestellt.
Am frühen Abend des Dreifaltigkeitssonntages zieht die feierliche Prozession von der Kirche St. Gereon aus über die Schulstraße nach Kettenheim, überquert die Bahnlinie und geht entlang dem Kettenheimer Graben zur Kapelle. Dort trifft man sich dann mit den Pilgern aus Kelz zu einer gemeinsamen kurzen Andacht.
Prozession und Andacht werden musikalisch begleitet von einem Bläserensemble des TC Wyss.
Die Gebete und Gesänge sind in einem speziellen Flyer genau festgelegt. Gebetet wird primär der glorreiche Rosenkranz. Hinzu kommen spezielle Intensionen für die Verstorbenen, für den Frieden in der Welt, um Gerechtigkeit für alle Menschen und nicht zuletzt um Segen für die Früchte der Erde.
Der Rückweg der Betenden zur Pfarrkirche entspricht exakt dem Hinweg, denn der ursprüngliche Weg über das Gastesfeld musste aus verkehrstechnischen Gründen aufgegeben werden.
In der Kirche angekommen dann das Tantum ergo und der feierliche sakramentale Segen sowie zum krönenden Abschluss das Tedeum mit folgendem Lobpreis:
Die Ehre sei dem dreieinen und dreifaltigen Gott, dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist, jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit! Amen.
Im Januar 2023 wurden bei einem Besuch der Kapelle durch interessierte Mitbewohner Spuren der Verwüstung entdeckt. Die gewaltsam aufgebrochene Eingangstür sowie ein im Innern gezündeter Sprengsatz, durch den angesammelte Teerflüssigkeit verschüttet wurde, zeugten von idiotischer Zerstörungswut. Auch eine hohe ausgelobte Belohnung konnte nicht zur Feststellung der Täter führen. Die Schäden wurden behoben, so dass die Kapelle wieder im alten Glanz erscheint.
Auch mit dem Auto ist die Kapelle problemlos zu erreichen, womit auch älteren und gehbehinderten Menschen ein Besuch nur empfohlen werden kann.
An der Kapelle laden zwei Ruhebänke zum Verweilen ein. Der Blick über die Zülpicher Börde und die Stille fernab von der Hektik des Alltags können für viele Menschen wahrlich Balsam für die Seele sein und zu einem stillen Gebet einladen.
Aus Schutz vor dem geschilderten Vandalismus ist die Kapelle lediglich am Dreifaltigkeitssonntag geöffnet.
St. Antonius Emeritus
Den heiligen Antonius den Einsiedler konnte man auf dem kürzesten Pilgerweg verehren und um Hilfe anrufen. Man brauchte nur die Kirche zu betreten und zum rechten Seitenaltar zu gehen, dann war man schon am Ziel der Pilgerfahrt.
Nach dem heiligen Gereon ist der heilige Antonius der zweite Pfarrpatron unserer Pfarre.
Der barocke Antonius Altar, aus der Gladbacher Abteikirche stammend, wurde um 1870 nach Vettweiß gegeben und dort wie der Laurentius Altar und der Hauptaltar aufgestellt.
Der Antonius Altar war sehr alt. Dies bezeugte eine im Altartisch eingelassene Schiefertafel in lateinischer Sprache, die in Deutsch folgenden Wortlaut hat:
Im Jahre 1431 wurde der Altar des heiligen Eremiten Antonius reich ausgestattet von Richmodis von Irnich zum ewigen kirchlichen Besitz und zwar, daß in jeder Woche vier Messen gesungen oder gelesen wurden. – Im Jahr 1810 wurde dieser gestiftete Altar unter neuem Namen dem Gebäude dieser Kirche einverleibt, die dafür sorgt daß die oben genannten Messen von einem Vikar oder, wenn die Stelle des Vikars unbesetzt ist, durch andere Priester gefeiert werden.
Dies wurde im Jahre 1854 eingemeißelt zur ewigen Erinnerung an dieses Ereignis.
Die Vettweißer Gemeinde war glücklich, dass sie diese barocken Kleinode bekommen hatte. Leider haben sie alle den Krieg nicht überstanden.
Das Hochfest des heiligen Antonius wurde jeweils am 17. Januar eines jeden Jahres feierlich begangen als arbeits- und schulfreier Gedenktag. An seinem kirchlich gewidmeten Altar wurde eine heilige Messe gefeiert. Die Teilnahme der örtlichen Gläubigen daran wurde als Verpflichtung gesehen. In großer Zeremonie wurde anschließend das Antoniuswasser geweiht, und zum Abschluss noch das Reliquiar zur Verehrung gereicht. Als dann wollte das „weltliche“ Patrozinium ausgiebig gefeiert werden. Kulinarisches wie Hochprozentiges galt es zu genießen, denn es war volle Konzentration auf den Abend ausgerichtet. Der Jünglingsverein, der Musikverein zusammen mit dem Theaterverein hatten zur abendlichen Theateraufführung und geselligem Beisammensein geladen. Eine Theateraufführung an „Saustünnes oder Ferkestünn“, einfach dörflicher Kult. Dieses Ereignis, mit festem Platz im Kalender, ist längst Vergangenheit. Mitte der 1960ger Jahre war, gebräuchlich der Theatersprache, der Deckel drauf, der Lack war ab. Das Interesse der Bevölkerung ging leider in andere Richtungen,
Der heilige Antonius war für die dörfliche Bevölkerung ein wichtiger Heiliger. Man flehte ihn bei vielen großen und kleinen Problemen an und bat um seine Hilfe. Auch heute, bei Verlegungen von Gegenständen und deren oftmals anstrengender und erfolgloser Suche, wird Hilfe zur Findung in einem kleinen „Stoßgebet“ an den Hl. Antonius erbeten, natürlich mit oftmaligem Erfolg.
Es wurde auch durch Gebete um Hilfe gegen das gefährliche und überaus tödliche Antoniusfeuer, eine Geißel des Mittelalters, gefleht.
Es war eine Vergiftungserscheinung, die durch den Mutterkornpilz im Getreide verursacht wurde. Die Mutterkornpilze waren sehr giftig. Wurden sie vermahlen und verzehrt, dann führte das zu schlimmen Erkrankungen bei Menschen und Tieren, bis hin zum unausweichlichem Tod.
Bei der ländlichen Bevölkerung war der heilige Antonius, auch Ferkestünn genannt, der Schutzpatron der Schweine. Zu jedem Haushalt gehörten ein oder zwei Schweine. Alle Garten- und Küchenabfälle landeten im Schweinetrog. In der kalten Jahreszeit wurde geschlachtet und so die Fleischversorgung der Familie gesichert. Damit der gesamte Prozess wohl gelingen möge, war natürlich auch die Fürsprache des heiligen Antonius geboten.
Unwiderruflich fließt die Zeit und manches wird Vergangenheit, so auch das Antoniusfeuer. Dank medizinischer Forschung und neuem Saatgut ist der Mutterkornpilz besiegt und stellt keine Gefahr mehr für die Menschen dar.
Gleichfalls ist der Schutz des heiligen Antonius bei der Schweinehaltung nicht mehr erforderlich, denn in Vettweiß gibt es quasi keine Schweinehalter mehr.
Obwohl diese beiden Aufgaben für den heiligen Antonius entfallen, ist er beileibe kein „Auslaufmodell“. Unverändert ist er der zweite Schutzpatron unserer Kirche und in dieser Funktion gebührt ihm Ehre, Dank und Anerkennung.
Für den durch den Abbruch der Kirche zerstörten Antoniusaltar wurde zwar keine Ersatzbeschaffung mehr vorgenommen, unverändert ist der heilige Antonius jedoch in der Kirche allgegenwärtig. Sein Ebenbild, in Gestalt einer lebensgroßen Holzfigur hängt an der rechten Seitenwand und schaut auf seine Gemeinde herab, zusammen mit einem an seinem Fuß lagernden Schweinchen.
Pilgerwallfahrt nach Trier
Die Pilgerwallfahrt zum Grab des heiligen Apostels Matthias nach Trier ist seit jeher für viele Menschen das Ereignis des Jahres und ein unvergessliches Erlebnis. In jedem Jahre ziehen hunderte Pilger aus nah und fern, sei es in Gruppen oder als Einzelpilger, zu seinem Grab und tragen dem Heiligen ihre Anliegen vor.
Betend, singend und schweigend gehen sie ihren Pilgerweg und sehen darin einen Ausdruck ihres Glaubens auf ihrem irdischen Lebensweg.
Auch Vettweißer Christen gehen in jedem Jahre nach Trier. Sie schließen sich der St. Matthias – Bruderschaft Titz an, die alljährlich eine Fußwallfahrt nach Trier arrangiert. Auf ihrem 170 km langen Pilgerweg durchqueren die Pilger auch die Gemarkung Vettweiß. Am Matthiaskreuz, einem von dem verstorbenen Schreinermeister Matthias Esser errichteten Bildstock, schließen sich die Vettweißer Pilger der Pilgergruppe aus Titz an und gemeinsam geht es auf den Pilgerweg.
Über Feldwege und Landstraßen geht es direkt in Richtung Trier. Übernachtet wird in Privathäusern und Pensionen, die schon vorher gebucht sind. Begleitet wird die Gruppe von einem Bagagewagen für das Gepäck. Er dient gleichzeitig für den Transport der Fußkranken.
Nach drei Tagen anstrengendem Pilgerweg ist dann endlich das Ziel erreicht. Es folgen der feierliche Einzug in die Benediktinerabtei St. Matthias und die Teilnahme an dem von den Benediktinermönchen organisierten Pilgerprogramm.
Nach einem wohl verdienten Ruhetag in Trier geht es dann auf gleichem Wege zurück und die Pilger sind überglücklich, wenn sie von weitem den Kirchturm von St. Gereon Vettweiß erblicken. Eine strapaziöse, aber eine erlebnisreiche Pilgerschaft hat ihr Ende gefunden.
Wallfahrt nach Kevelaer
Der am linken Niederrhein im Kreis Kleve gelegene Marienwallfahrtsort Kevelaer war seit jeher für die Vettweißer ein beliebter Wallfahrtsort. In jedem Jahre nahm eine große Pilgergruppe an dieser Wallfahrt teil.
Von Vettweiß aus fuhr ein gesondert gecharterter Pilgerzug, dem auf der Hinreise noch weitere Pilgergruppen zustiegen.
In Kevelaer angekommen wurde die große Pilgerschar von einem Pilgerpfarrer empfangen und in feierlicher Prozession, mit Blasmusik vom Bahnhof aus durch die Stadt bis hin zur Basilika geleitet.
Der Ablauf der Wallfahrt war genau festgelegt: Es begann mit einem feierlichen Gottesdienst in der Wallfahrtskirche, der Marienbasilika. Die Kirche war voll besetzt mit Pilgern, insbesondere aus Holland in ihren bunten Landestrachten. Sicherlich war dieser Gottesdienst für die Pilger ein emotionales, bleibendes Ereignis.
Nachdem man in den fest gebuchten Pensionen Quartier bezogen und in den zahlreich vorhandenen Restaurants niederrheinische Kost genossen hatte, stand dann der Besuch der Gnadenkapelle mit einem stillen Gebet vor dem Gnadenbild der Mutter Gottes an.
Hatte man als demütige Pilgerin oder fürsorglicher Pilger seine Sorgen und Nöte der Gottesmutter vorgetragen, folgte der Weg in die benachbarte, dem heiligen Michael geweihte Kerzenkapelle. Zum festen Ritual gehörte dort sodann das Anzünden einer eigenen Votivkerze.
Am Nachmittag stand dann der Kreuzweg auf dem Programm. Die Stationen sind in einer parkähnlichen Anlage gelegen, wahrlich ein Ort der Stille und des Gebetes.
In guter Erinnerung sind auch die Konditoreien und Cafés. Dort gab es leckeren Kuchen und Torten nach niederrheinischer, holländischer Art. Heute kaum denkbar: Die Holländer brachten sogar problemlos ihr eigenes Kaffeemehl mit, denn der deutsche Kaffee war ihnen zu schlecht und zu teuer.
Denn nicht nur das Seelische bedurfte der ausgebreiteten Fürsorge, nein, auch der geistige Zustand verlangte nach Pflege. Wie vielen Erzählungen zu entnehmen war und auch heute noch ist, gab es ein reichhaltiges, hochprozentiges köstliches Angebot, das nur schwer zu umgehen war, so dass mancher Pilger die abendliche Lichterprozession nur hören sagend erlebte. Anderntags, wenn auch noch leicht verkatert, dann um Absolution bat.
An manchen Tagen findet am frühen Abend noch eine Lichterprozession statt. Singend und betend ziehen die Pilger dann um die Gnadenkapelle, für Pilger und Zuschauer ein erhebendes Bild.
Danach geht ein anstrengender Pilgertag zu Ende. Man genießt die erholsame Nachtruhe, sofern man in einem fremden Bett auch schlafen kann.
Der zweite und letzte Pilgertag beginnt mit einem formlosen Gottesdienst und endet mit dem Pilgersegen in der Marienbasilika.
In den zahlreichen Devotionaliengeschäften wurden die obligatorischen Geschenke für die Daheimgebliebenen gekauft, Marienbildchen, Kerzen und natürlich Fähnchen. Auf den Fähnchen stand folgender Spruch: In Kevelaer hab‘ ich an Dich gedacht und Dir was Schönes mitgebracht.
Am Bahnhof Kevelaer stand schon der Pilgerzug bereit, damals noch mit Dampflokomotive, die Vorderfront festlich geschmückt, und ab ging die Heimfahrt nach Vettweiß. Trotz schöner Erinnerungen an zwei Pilgertage war man froh wieder zu Hause zu sein.
Mitte der 1950iger Jahre teilte die Bahn der Pfarre die ersatzlose Streichung des jährlichen Sonderzuges nach Kevelaer mit. Was verblieb? Ein Umstieg auf Busse, wobei sich die Teilnehmer auf das Dekanat Vettweiß erstrecken und ab dann als Tagespilgerfahrt angeboten wurde.
Nachwort: Die vom Verfasser geschilderte Darstellung gehört leider der Vergangenheit an. Im Laufe der Jahre ist die Anzahl Kevelaer Pilger einschneidend zurückgegangen. Eine überschaubare Pilgerschar aus Vettweiß findet den Weg dorthin. Schade. Die Gründe für diesen Rückgang sind mannigfaltig. Der geneigte Leser möge sie selbst ergründen. Doch die Tradition der Kevelaer-Wallfahrt bleibt fortgesetzt.
Heimbachwallfahrt
Eine beliebte, aber auch anstrengende Wallfahrt ist der alljährliche Gang nach Heimbach. Nur trainierte Pilger nehmen den langen Fußweg auf sich.
In Heimbach wird von Mai bis September ein Gnadenbild der schmerzhaften Gottesmutter verehrt. Es befindet sich in einer Kapelle unmittelbar neben der Pfarrkirche St. Clemens. Die Wallfahrtzeit beginnt in der Regel Mitte Mai und endet Mitte September.
Ein besonderer Höhepunkt ist die sogenannte Oktav zum Fest der Heimsuchung Mariens am 2. Juli eines jeden Jahres.
Just zu diesem Feiertag zieht es die Vettweißer Pilger gen Heimbach. Zu früher Morgenstunde, um 4,00 Uhr, geht es los. Seit einigen Jahren pilgern Vettweißer und Kelzer Pilger vereint nach Heimbach, wodurch die Pilger aus Kelz sich noch eine Stunde früher auf die Strecke begeben müssen. Sobald vereint, beginnt der Gebetszyklus mit einem Gebet zu den Schutzengeln. Reichlich sind Gebetspausen eingeplant, denn die Pilger möchten sich auch unterhalten. Die Route ist genau festgelegt: Froitzheim, Ginnick, Embken, Wollersheim, Vlatten, Heimbach. Genaues Timing ist angesagt, denn man möchte ja um 10,00 Uhr pünktlich am Pilgerhochamt teilnehmen. Aber keine Bange. „Die alten Hasen“ kennen die Begebenheiten des Fußmarsches aus der Überlieferung und der jahrelangen Teilnahme aufs Genaueste.
Sobald Heimbach in Sichtweite ist, wird die Gottesmutter mit folgendem Gebetstext um Beistand und Hilfe gebeten:
„Maria zu Dir kommen wir, um Deine Hilfe bitten wir“
Anmerkung: Im Einklang mit unserer rheinischen Mentalität dachte man dabei auch an ein gutes Pilgerfrühstück, insbesondere an die leckeren Heimbacher Fladen. Die entsprechende Intension soll dem Leser nicht vorenthalten werden:
Maria zu Dir kommen wir, Heimbacher Fladen begehren wir, dat se deck belaat sent, erwarten wir.
Nach dem feierlichen Pilgerhochamt war ein Frühstück bei Schiffmann oder in der Gaststätte Alt Heimbach angesagt, um sich für den Kreuzweg zur Abtei Mariawald zu stärken. Der Kreuzweg ist steil und kräftezehrend so dass nicht alle Pilger diese Strapaze noch auf sich nahmen. Oben angekommen in der Klosterkirche, Teilnahme an der Mittagshore und eine Portion der von Bruder Konrad gekochten leckeren Erbsensuppe. Danach natürlich als Nachtisch der berühmte und beliebte Mariawalder Klosterlikör, der von dem inzwischen verstorbenen Bruder Sebaldus hergestellt wurde.
Übrigens: Bruder Sebaldus war der letzte in Mariawald noch lebende Trappist.
Damit war für die meisten Vettweißer Pilger die Wallfahrt zu Ende. Man war zu erschöpft, um den weiten Fußweg nach daheim anzutreten. Nur wenige nahmen diese Strapaze noch auf sich.
Eine organisierte, motorisierte Heimfahrt war ein wohlverdientes Lob an die Heimbachpilger.
In jedem Falle war die Wallfahrt jedoch stets ein bleibendes Erlebnis und Nahrung für das Seelenleben. Möge es auch noch weiterhin so bleiben. Die Anzahl der Fußpilger ist von Jahr zu Jahr durchaus schwankend. Schaut man sich beim Hochamt in Heimbach am Wallfahrtstag einmal um, dann gewahrt man viele Personen, die von den nötigen „fußläufigen Bewegungen“ eingeschränkt die angenehmere Motorisierung gewählt hatten. So nach dem Motto: Einmal Heimbachpilger immer Heimbachpilger.
Anmerkungen zur Abtei Mariawald: Im Laufe der Jahrzehnte hat die Anzahl der dort lebenden Trappisten stetig abgenommen. Nur noch wenige alte Mönche lebten im Kloster; ein normales monastisches Leben war kaum noch realisierbar. Schweren Herzens wurde im Januar 2018 der Beschluss zu Aufhebung des Klosters gefasst. Dieser Beschluss ist inzwischen in die Tat umgesetzt worden. Die jahrhundertealte segensreiche Arbeit der Trappisten nahm ein Ende. Damit gehört ein weiteres christliches Kulturgut unserer Heimat der Vergangenheit an. Schade und traurig, aber wahr.
Bittprozession
An drei Tagen vor Christi Himmelfahrt feiert die katholische Kirche die Bitttage. Wesentlicher Teil dieser Feiern sind die Bittprozessionen.
Der Sinn und Zweck dieser Bittprozessionen ist in einem Flurumgang Gottes Segen in Demut und Reue anzuflehen, er möge alles Böse von uns fernhalten und die Felder, Gärten und die gesamte Natur segnen.
In der Gemeinde St. Gereon finden drei Bittprozessionen seit jeher in jedem Jahre statt, früher an Werktagen vor der heiligen Messe, heute gegen Abend.
Die Prozessionswege sind variabel; in jedem Falle jedoch aus der Enge des Dorfes heraus in die freie Natur. Wie bei den meisten Prozessionen zeigt die Anzahl der Beter eine sinkende Tendenz.
Gebetet wird der Rosenkranz mit folgender Bitte:
Jesus, der Du die Früchte der Erde geben, segnen und erhalten wollest.
Natürlich darf, wie bei jeder Prozession in Vettweiß, ein Gesetz für die Verstorbenen nicht fehlen.
Anmerkung: Die Liebe zur Natur und die Sorge um die Früchte der Erde spiegelt auch folgendes Gebet wieder, welches fester Teil der Gottesdienste ist.
Allmächtiger Gott wir bitten Dich, gib uns fruchtbare Witterung und sende vom Himmel herab uns Unwürdigen Deinen Schutz gegen Ungewitter, Blitz und Hagelschlag. Dein Segen komme immerdar über uns und alles, was uns schaden kann halte die Allmacht Deiner Rechten von uns fern, durch Christus unseren Herrn! Amen.
Das inständige und permanente Bitten um gute Witterung wird in den dörflichen Gemeinden noch praktiziert, in den städtischen Gemeinden nur in Ausnahmefällen.
Seit der Errichtung der „Mutter-Teresa-Kapelle“ auf dem Anwesen von Gut Veitzheim bietet die Pfarre St. Marien dort zwei Tage vor Christi Himmelfahrt eine gemeinsame Bittmesse mit vorheriger Bittprozession für die gesamte Pfarre an. Somit sind die Bittprozessionen in den einzelnen Ortschaften Geschichte.
Fronleichnamsprozession
Auf Donnerstag nach dem Dreifaltigkeitssonntag folgt das heilige Fronleichnamsfest, das Fest der Einsetzung des allerheiligsten Altars- sakramentes. Neben dem Festgottesdienst ist die feierliche Fronleichnamsprozession durch das Dorf wesentlicher Bestandteil des Geschehens.
Das ganze Dorf nahm Anteil an den Vorbereitungen. Die Prozessionswege wurden mit bunten Fahnen und frisch geschlagenen Maien geschmückt. In den Haustüren und Fenstern wurden eigene Hausaltäre platziert.
Fleißige Hände stellten die fünf Segensaltäre auf. Der erste Altar war am Wegekreuz in der Dorfstraße von Kettenheim, der zweite das Kreuz vor der Gemeindeverwaltung im Unterdorf, der dritte Altar im Oberdorf, der vierte Altar am Wegekreuz in der Dürener Straße und der fünfte Altar am Kreuz auf dem Marktplatz.
Nach dem feierlichen Hochamt zog dann die Prozession unter dem Geläut sämtlicher Glocken aus der Kirche aus. An der Spitze das Vortragekreuz und zwei Fahnen, alle von Messdienern getragen, dann die Schulkinder, Mädchen und Frauen. Unmittelbar vor dem Baldachin, auch Himmel genannt, gingen die Kommunionkinder, die Mädchen in ihren Kommunionkleidern und die Jungen in ihren Kommunionanzügen.
Unter dem Baldachin, von Mitgliedern des TC Wyss getragen, schritt dann der Priester, im Chormantel gekleidet, mit der Monstranz. Begleitet wurde er von den Mitgliedern des Kirchenvorstandes, alle eine brennende Kerze tragend, und von den Messdienern mit permanent klingenden Schellen.
Hinter dem Himmel dann der Kirchenchor, die Musik und die Schützenbruderschaft mit dem amtierenden Schützenkönig an der Spitze. Danach bildeten dann die Männer den Schluss der feierlichen Prozession.
An den einzelnen Altären wurde so dann nach einem unterschiedlichen Ritual der sakramentale Segen erteilt. Schließlich zum Abschluss des Fronleichnamstages in der Kirche noch das feierliche Tedeum.
Schlussbemerkung
Die vorstehenden Ausführungen beruhen ausschließlich auf persönlichen Erinnerungen des Verfassers. Sie betreffen die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Einen Anspruch auf Vollständigkeit erheben sie nicht.
Die Fronleichnamsprozession in der geschilderten Form gehört leider der Vergangenheit an. Ihre Durchführung ist nicht mehr realisierbar. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Sie liegen in erster Linie in dem erschreckenden Rückgang der noch praktizierenden und zu Engagement bereiten Katholiken und in dem Mangel an Priestern, die heute für eine Vielzahl von damals selbstständigen Pfarrgemeinden zuständig sind.
Durch den verordneten Zusammenschluss der Pfarrgemeinden des Dekanates Vettweiß zur Einheitspfarrei St. Marien (Jahreszahl 1973), wird die jährliche Fronleichnamsprozession abwechselnd in den einzelnen Dörfern für die gesamte Pfarre St. Marien abgehalten.
Sie beginnt mit einer Hl. Messe unter freiem Himmel und der sich anschließenden Prozession durch den jeweiligen Ort zur Pfarrkirche hin.
Wallfahrten
Bornhofen
Nicht zu vergessen ist letztlich die Schiffswallfahrt nach Bornhofen. Alljährlich schließt sich eine Gruppe Vettweißer Pilger den Pilgern aus der Annapfarre Düren an.
Mit dem Omnibus geht es von Düren nach Remagen und von dort aus mit einem eigens angemieteten Schiff nach Kamp-Bornhofen. Auf dem Schiff wird eine heilige Messe gelesen und man erreicht singend und betend, die schöne Landschaft, bei einem anschließendem kleinen Frühschoppen genießend, das Ziel.
Das Gnadenbild der Gottesmutter im Wallfahrtskloster der Franziskaner ist das Ziel. Die Wallfahrtskirche, das Kloster und der Blick auf das Rheintal, kurzum die ganze Atmosphäre, für alle Teilnehmer immer ein bleibendes Erlebnis.
„Fußkranke“ verbleiben auf Rheinebene, während andere den etwas beschwerlichen Aufstieg zur Klosterkirche mit der Pieta in Angriff nehmen und dabei den unverwechselbaren Rheinblick aufnehmen.
Am späten Nachmittag wird bei fröhlicher Stimmung und reichlich gedanklichem Austausch, viele Pilger sehen sich halt nur zur Jahreswallfahrt, die Rückfahrt gestartet. Bei gutem Wetter vom Oberdeck die Flußlandschaft von „Vater Rhein“ bei einem Schoppen Rheinwein genießend, erreicht man am späten Abend von Remagen aus per Bus den „Heimathafen“ Düren.
Die Corona Pandemie hat auch dieser Wallfahrt sehr zugesetzt. Es bleibt abzuwarten ob die Wallfahrt nach mehreren Ausfällen wieder gestartet wird. Hoffen wir darauf.
Da die Hoffnung, vom Sprachgebrauch ausgehend, zuletzt stirbt, wurde die Wallfahrt wieder gestartet. Der Erfolg überzeugte vollends.
Fußfälle
War ein Bürger verstorben, dann wurden die sieben Fußfälle gebetet, ein Bittgang, der dem oder der Verstorbenen gewidmet war.
Der HGV hat bereits vor längerer Zeit unter dem Kapitel „Die Leuchte“ über die Fußfälle und ihren Ablauf in Vettweiß berichtet, so dass sich weitere Ausführungen zu diesem Thema an dieser Stelle erübrigen.
Leider gehört dieser alte, sinnvolle Sterbebrauch in Vettweiß der Vergangenheit an.
Einzelpilger
Pilgern und Wallfahren waren nie ausschließlich Aktivitäten von größeren Gemeinschaften und kleineren Gruppen. Das religiöse Leben wurde und wird auch heute noch von vielen Einzelpersonen sowie in kleineren Gruppen geprägt. Wobei auch der wohlbekannte und läuternde Jakobsweg nach Santiago de Compostella in Spanien erfolgreich und in Etappen „abgepilgert“ wurde und nachredend empfohlen wird.
Privates Pilgern wird so auch in Vettweiß vielfältig praktiziert, allerdings nicht nur zu Fuß sondern auch mit dem Fahrrad, dem E-Bike und mit dem Auto.
Waldgrotte
Versteckt unter hohen Bäumen liegt im großen Busch die Waldgrotte, ein der Mutter Gottes geweihter Gebetsstock.
Die Grotte ist ein Ort des Gebetes, der Stille und der Einkehr. Mehrere Bänke laden zum Verweilen ein. Für den Pilger ist die Waldgrotte der ideale Ort um die Natur zu genießen, von der Hektik des Alltags loszukommen und abzuschalten.
Mit dem Auto ist die Grotte nicht zu erreichen, vielleicht auch ein Grund, dass die Stille des Ortes garantiert ist.
Lourdesgrotte
Ein Kleinod der Marienverehrung und ein beliebter Ort des Gebetes ist die im Jahre 1895 erbaute Lourdesgrotte in Soller.
Die Grotte liegt unmittelbar an der Kirche St. Gangolf und ist gut zu erreichen. Bequeme Bänke laden den Pilger zum Gebet und zum Verweilen vor der Statue der Gottesmutter ein.
Jedes Jahr findet im September die Marienoktav statt. Sie wird geprägt durch eine Festmesse, Krankensalbung und Rosenkranzgebete. Die Teilnehmerzahl zeigte über einige Jahre hinweg eine etwas sinkende Tendenz, die aber sichtbar überwunden scheint. Auch von Vettweiß nehmen Gläubige an den gebotenen Feierlichkeiten teil.
St. Quirinus Zülpich
In früheren Jahren hatte die Verehrung des heiligen Quirinus von Neuß in unserer Heimat einen großen Stellenwert.
Der heilige Quirinus, der zweite Schutzpatron der Kirche St. Peter in Zülpich, war und ist seit jeher der Schutzpatron der Pferde.
Viele Pferde, es handelte sich vornehmlich um rheinisch deutsches sowie belgisches Kaltblut, bestimmten das Bild unserer Dörfer. Die Bewirtschaftung der fruchtbaren Böden der Zülpicher Börde machte den Einsatz schwerer Ackerpferde unerlässlich. Gute Pferde waren zweifelsohne das Rückgrat eines jeden Ackerbaubetriebes. War ein Pferd eingegangen oder schwer krank, brachte dies für den Bauern beträchtliche wirtschaftliche Nachteile mit sich. Da war natürlich Hilfe von oben gefordert.
Wo die Not am größten ist, da ist auch die Hilfe am nächsten. Diese Hilfe fand man im nahe gelegenen Zülpich. Dort wurde der heilige Quirinus verehrt und zum Schutz gegen Pferdekrankheiten angerufen. Auch gab es dort unmittelbar neben der Kirche einen Brunnen.
Dem gesegneten Wasser aus dem Quirinus Brunnen wurde ein besondere Heil- und Schutzwirkung zugeschrieben. So ritten die Bauern oder sie pilgerten zu Fuß von Vettweiß aus zum Fest des Heiligen nach Zülpich. Dort tränkten sie ihre Pferde mit dem gesegneten Wasser vom Quirinus Brunnen und nahmen gleichfalls auch davon noch für die daheim gebliebenen Pferde mit, in festem Vertrauen auf die Heil- und Schutzkraft des Wassers.
In Vettweiß ist dieser religiöse Brauch unbekannt; er gehört der Vergangenheit an. Es gibt ja auch keine Ackerpferde mehr.
Erfreulicher Weise hat die Verehrung des heiligen Quirinus in Zülpich nach wie vor einen hohen Stellenwert und sie liegt insbesondere dem aus dem Neußer Raum stammenden Pastor Guido Zimmermann sehr am Herzen. Er schreibt hierzu:
„Die Verehrung des heiligen Quirinus wird auch heute noch hoch gehalten. An seinem Festtag, dem 30. April, wird zu seiner Ehre die heilige Messe gefeiert. Am 1. Mai – vor der Maiandacht – werden immer noch Pferde gesegnet. Dann kommen Pferde auf den Mühlenberg und es wird ein kleiner Gottesdienst gefeiert.“
St. Brigida Untermaubach
Nicht zuletzt sei noch die Verehrung der heiligen Brigida in Untermaubach erwähnt.
Die heilige Brigida von Kildare ist bekanntermaßen die sogenannte „Viehheilige“. Die Menschen, insbesondere die Bauern, pilgerten seit jeher nach Untermaubach und beteten um Schutz für ihr Vieh. Insbesondere beteten sie um Schutz gegen alles dahinraffende Viehseuchen.
Die Wallfahrt nach Untermaubach war damals sehr beliebt. Aus den Unterlagen des Bistums Aachen lassen sich allein die Wallfahrtstermine von zwölf Pfarreien, so auch von St. Gereon Vettweiß, ersehen.
Auch heute noch wird die heilige Brigida in Untermaubach verehrt, allerdings gegenüber früheren Zeiten in merklich verkleinerter Form. Es kommen nur noch wenige Pilger entweder in Gruppen oder als Einzelpilger.
Jeweils am 01. Februar, dem Todestag der heiligen Brigida, oder dem darauffolgenden Sonntag feiert die Gemeinde das Patrozinium in althergebrachter Form. Anlässlich eines feierlichen Gottesdienstes werden Brot und Salz gesegnet und das Reliquiar der heiligen Brigida verehrt.
Die Organisation der Wallfahrt obliegt ehrenamtlich tätigen Mitgliedern der Gemeinde. Sie sorgen für die Verteilung des gesegneten Brotes und die Bewirtung der Pilger im benachbarten Pfarrheim.
In Vettweiß hat man die Verehrung der heiligen Brigida und den Bittgang nach Untermaubach vergessen.
Rom und Israel
Der im Jahre 2013 verstorbene Pfarrer Willi Lennarz hatte während seiner Amtszeit in Vettweiß von 1983 bis 2005 zu Pilgerreisen nach Israel und Rom eingeladen.
Er erweckte eine sehr große Resonanz, die zu erfolgreichen Pilgerfahrten 1985 nach Israel und 1987 nach Rom führte.
Die Auflistung der Prozessionen, der Wallfahrten und die der Pilgerfahrten der Kirchengemeinde Vettweiß hat fast die Ausmaße eines Kalenders.
Wie eingangs erwähnt, können Jahrhunderte alte Traditionen nicht mehr beibehalten oder nur noch in „abgespeckter Form“ durchgeführt werden. Überaus große Beteiligungen an Prozessionen und Pilgerfahrten waren nachweislich immer in Zeiten der Not zu registrieren. Doch auch angenehmere Zeiten, die der Menschen Wunsch sind, verleiten zu einer Teilnahme, wenn gesundheitliche Beeinträchtigungen eine Teilnahme ausschließen. Es sind die gedanklichen, die seelischen Werte, die jemanden sinnbildlich und innerlich an Gedenkprozessionen, an Wallfahrten oder Pilgerfahrten teilnehmen lassen.
Skript: „herS“ im Oktober 2024