Vettweiß – Anno dazumal nach einem Bericht von Agnes Waser

Der Kölner Liedersänger Jupp Schmitz sang in seinem bekannten Karnevalsschlager:
„Och wat wor dat fröher schön doch en Colonia,...“

Auch in Vettweiß war es früher, und ist es auch heute noch, schön. Wir wohnten bei den Großeltern, so habe ich viel mitbekommen, was früher erzählt wurde und habe auch einiges selbst miterlebt.

Vettweiß war ein reiches Dorf. Hier lebte man hauptsächlich von der Landwirtschaft. Bei den Bauern fanden viele Menschen Beschäftigung als Knecht auf dem Feld oder als Magd im Haushalt.

Die ganze Familie half beim Rüben vereinzeln (Knolle rötsche) und bei der Getreideernte. Das ganze Getreide wurde noch mit dem Binder geschnitten und gebunden. Anschließend wurden die Garben aufgestellt. Danach kamen sie in Scheunen oder große Schober, von wo aus das Getreide gedroschen wurde. Fast jeder Knecht hatte ein Stückchen Land, das er vom Bauern aus mitbearbeiten durfte.

Zu Hause hatte man einen Gemüsegarten. Weißkohl, genannt “wisse Kappes“, wurde zu Sauerkraut in Steinkrügen verarbeitet. Strauch- und Stangenbohnen, Möhren, Sellerie und Lauch (Breetloof) wurden in einem alten Waschkessel im Dreh eingelagert. Damit war der Gemüsebedarf einer Familie nahezu abgedeckt. Viele Haushalte hatten dazu ein Schwein, um den Fleischbedarf zu decken. Einmal im Jahr wurde geschlachtet, die Hausschlachtung. Es wurde eigentlich alles verarbeitet und verwertet. „Mag ich nicht“, gab es nicht. Ziegen lieferten Milch und Hühner die Eier. Kartoffeln erhielten die Beschäftigten schon mal als Deputat vom Bauern. Sie wurden eingelagert, so dass man für den Winter versorgt war.

Fast jeder Einheimische hatte einen Beinamen (Spitznamen). Für Fremde war das manchmal schlimm anzuhören, denn die Leute wurden vorwiegend mit ihren Spitznamen angesprochen.

Hier einige Beispiele.
Hülden in der Gereonstraße (a Baltesse); Steffes (Döps) Gereonstraße; Matthias Schmitz (Plääte Matschö); Christoffels (Kamozius) Ecke Küchengasse – Gereonstraße; Jöntgen (Statthalter) Küchengasse; Falkenberg Wilhelm (Lang Wellem) in der Gereonstraße (heute Geschäftsstelle Provinzial); Falkenbergs (a Schmötze) Gereonstraße; Courth Frohnhof (en de Fruhn); Burg Erasmi  (en de Brennesch); Christoffels Mättes (Kapelle); Christoffels Wilhelm (Fleppse Will) Jagdrain; Mönchhof, Gereonstraße (De Burg); Hoch Johann (Pennsche) Schulstrasse; Der Hof im Schatten der Kirche (heute Pfarrheim) hieß “En de Bröck.“

Schon früh gab es in Vettweiß einen Bahnhof, gelegen an der Bahnstrecke Düren – Bonn, an dem auch Güter verladen wurden. Hier kamen für die Bauern und die Gebrüder Dederichs, die ein Fruchtlager hatten und eine Lohndrescherei betrieben, der Kunstdünger noch lose im Waggon an. Im Krieg wurde auch Munition am Bahnhof ausgeladen, unter anderem für die Kämpfe im Hürtgenwald. Auch gab es einen Pionierpark (PI – Park) mit großem unterirdischem Bunker (Stollen), wo die Bevölkerung bei Fliegeralarm Schutz suchte. Der Kern des Dorfes, der Marktplatz, war nach dem Bombenangriff am 30. November 1944 dem Erdboden gleich, wobei viele Vettweißer umgekommen sind.

Später war hinter der Bahnstrecke eine Krautfabrik (Et Prüppes), wo Zuckerüben zu Rübenkraut (Sehm) verarbeitet wurden. Die ausgepressten Rüben nannte man Lappen. Sie wurden in Wasser eingeweicht und an das Vieh verfüttert.

Weiterhin gab es im Unterdorf eine Apotheke (Runte), den Arzt Dr. Pyro, den Zahnarzt Josef Stahl und eine Molkerei. Die Bauern aus Vettweiß und den Nachbarorten brachten die Milch in Kannen mit Pferd und Wagen nach Vettweiß. Milchsammeltransporter waren aus Lüxheim, Hürtgens Hannes, aus Gladbach, Josef Welsch und aus Ginnick, Froitzheim und Soller, Gangolf Harperscheidt mit Tochter Tinni. Diese Leute erbrachten auch Fahrdienste für die Dörfer. Sie nahmen Medikamente von Dr. Pyro und aus der Apotheke mit. Es gab ja sonst keine Fahrgelegenheit.

Vettweiß hatte aber noch mehr zu bieten: Es gab den Stellmacher Gottfried Heller, aus der Sollergasse heute Dürener Straße, den Zimmermann Barthel Schmitz von der Gereonstraße  und die Schreinerei Thomas Pieck vom Ulmenweg.

Für die Deckung des täglichen Bedarfs standen parat: Hellersch Nell mit Lebensmittel, Kohlehandlung und Farbe. Auch gab es Lebensmittel bei Schmitze Nettchen in der Sollergasse, bei Resi Schneider am Kuhweg, bei Jörresse Marie am Marktplatz und bei den Geschwister Weber an der Ecke Sollergasse / Gereonstraße. Die Bäckerei Ink bot Brot und Backwaren an, die Bäckerei Clemens darüber hinaus noch Lebensmittel. Man konnte von einer guten Versorgung mit ausreichendem Sortiment reden.

Über Mangel an Gaststätten konnte sich Vettweiß auch nicht beklagen. Die Gaststätte Ella Christoffels mit Kegelbahn (heute “Zum Schnäuzer“), Die Gaststätte Heinrich Weber, genannt der “Schnieder“, die von Peter Hülden mit Saal. Die Gaststätten Wilhelm Christoffels und Weyenberg (genannt Meckes) mit Papagei in der Gereonstraße. Der Papagei, der den Gästen, die das Lokal verließen, immer hinterherrief: „Hätte betahlt?“(Hat er bezahlt?). Letztlich gab es noch die Bahnhofsgaststätte, die vom Stöver geführt wurde, später vom Ehepaar Henn.

Metzgereien gab es zwei: Eversheim und Dresia. Den Malermeister Paul Schmitz, sowie die Schumacher Essing am Marktplatz, Kesternich und Tesch in der Gereonstraße.

Für den Haarschnitt bei den Herren sorgten Frisör Heribert Klein, Gereonstraße neben der alten Post, und am Marktplatz in der alten Schule Fritz Lauscher.

Da war der Tierarzt Dr. Lüssem in der heutigen Schulstraße, der Herrenschneider Fassbender in der Gereonstraße. Neben dem bereits erwähnten Getreidelager der Gebr. Dederichs, gab es noch das Getreidelager Sieger, das vormals dem jüdischem Mitbürger Polack gehörte, und von Leo Otten geführt wurde. In der Gereonstraße Ecke Schützenstraße war die Kreissparkasse zu finden, wie in der gleichen Straße die Spar- und Darlehenskasse Küpper.

Feuerwehr und Spritzenhaus befanden sich auf dem Marktplatz.

Neben dem heutigen Rathaus war das Postamt (a Kappertse). Gegenüber, das Kloster, das von Ordensschwestern ( im Volksmund “Bejenge“) gelenkt wurde. Ein Kindergarten (Schwester Leonarda), die Koch- und Nähschule und eine Waschküche wurden von Schwester Amanda geleitet. Hier trafen sich die Frauen des Dorfes abends beim Nähen. Es gab ja kaum Kleidung zu kaufen. Aus Zeltplanen, Cut's ( Herrenschoßrock) und alten Anzügen wurden die tollsten Sachen gezaubert: Blusen, Jacken, Hosen und Röcke. Nicht zu vergessen die Krankenschwester Felizitas, die so manche Wunde versorgte, eitrige Mandelentzündungen behandelte und vielfach Nachtwache bei Schwerstkranken hielt. Im Oktober 1958 haben die letzten 4 Ordensschwestern das Kloster und Vettweiß verlassen.

“Der ahle Schmühl“ betrieb neben einem Eisenwarenladen an der Gereonstraße, gegenüber dem Marktplatz, eine Tankstelle. Hinter der bereits erwähnten Kreissparkasse befand sich ein Saal, in dem in den 20er und 30er Jahren Theater gespielt wurde. Im Krieg diente der Saal als Gefangenenlager.

In der Schützenstraße wohnte Fräulein Heimbach mit Vater, bekannt als Fett's Nett und Pauel's. Sie fuhren damals noch mit Esel und Karre das Futter vom Feld holen.

Im Mönchhof gab es eine große Schafherde, die von Bergers Karl, genannt “Pöt“, jeden Mittag durch das Dorf zu Weideplätzen getrieben wurde und abends wieder zurück. Banks Berta schneiderte Umänderungen und nähte mit den Tanten Steng und Nellche. In der Küchengasse wohnte Haase Trien, ihrem Wohnhaus gegenüber befand sich die Vikarie der Kirche. (heute das nicht mehr genutzte Postamt). Im Tal war Johann Wollersheim mit Tochter Feiß Trien und Mämie zu Hause.

Weiter gab es in Vettweiß zwei Schmieden. Die Schmiede Erken, später Geuenich, und die Schmiede und Landmaschinenhandel Peter Bäcker, später Ferdinand Schall.

Meine ersten beiden Schuljahre verbrachte ich in der alten Schule am Markt, es wurde noch die Sütterlinschrift gelehrt. Später wechselten wir in das neue Schulgebäude an der Schulstraße. Schulleiter war “Benno“ Engels mit den Lehrpersonen Mang und Capellmann.

Viele jüdische Kaufleute wohnten ebenfalls in Vettweiß, die eine Synagoge hatten und einen Friedhof in Kettenheim, der heute noch durch die Gemeinde gepflegt wird.

Christian Rubel und Bernhard Schmitz gingen mittags mit der Dorfschelle durch den Ort und teilten auf diese Weise neue Bekanntmachungen mit.

Einige Vereine hatten sich bereits gegründet. Schützen, Sportverein, Tambourcorps, Theaterverein, der unter der Leitung von Josef Junkersdorf und Johann Malsbenden spielte. Josef Junkersdorf war Polizist und Johann Malsbenden bekleidete als Ehrenamt das des Kirchenschweizers. Probelokal war mitunter bei Ink's Hein in der Backstube. Vergessen möchte ich nicht die Maigesellschaft, die den Brauch der Versteigerung der Maibräute pflegte.

Nach dem Krieg gründeten mein Vater, Peter Waser und Martin Schönewald mit Sohn, Bernhard Koof aus Gladbach und Peter Hambach aus Kelz eine Blasmusikkapelle. Da mein Vater in Vettweiß nur “dä Duz“ genannt wurde, war der Name der Kapelle schon gegeben, “Die Duz Kapell“, die zu allen Veranstaltungen wie Kirmes, Schützenfest, Karneval, und zum Martinsumzug spielten.

Nicht vergessen darf man, dass Kettenheim ja auch zu Vettweiß gehört. Hier waren die Landwirte Stefan Courth, Gabriel Courth (de Farme), Körver-Kaiser, Leonhard Decker, Gabriel Latz und Urban Schröder (Uckemeier).


Dies war Vettweiß aus meiner damaligen Sicht, heute ist Vettweiß groß geworden.
Man kennt fast niemanden mehr.

Ich komme auf den Anfang zurück, und sage mit Jupp Schmitz:
„Och wat wor dat fröher schön doch en Vettwys.......“