Ich wurde mit Beginn des 2. Weltkrieges geboren, hatte noch einen Bruder und eine Schwester, bin auf dem Land aufgewachsen, ohne meinen Vater, der sich im Kriegseinsatz befand.

Einmal wöchentlich, auch noch lange nach Kriegsende, war “Badetag“. Zeitpunkt war stets der Samstagnachmittag. Es ist davon auszugehen, dass in fast allen Häusern die gleiche “Zeremonie“ ablief. Damals gab es in den allerwenigsten Häusern weder Badezimmer noch Duschen. Gebadet wurde in den meisten Fällen in der Küche.

Vorbereitung

Mutter musste als erstes den Herd mit Holz, Kohle oder Brikett auf hohe Temperatur bringen, um dann große Kessel mit Wasser zu erhitzen, was eine gewisse Zeit in Anspruch nahm. In der Zwischenzeit wurde aus dem Schuppen eine große Zinkwanne geholt und in die Küche verbracht. Tisch und Stühle zur Seite geschoben, die Wanne in Küchenmitte platziert und mit Lappen und Handtüchern umlegt. Es dampfte regelrecht. Die Schwaden des erhitzten Wassers ließen die Fensterscheiben regelrecht beschlagen. Das an den Scheiben herablaufende Wasser, erzeugt durch den Wasserdampf, sammelte sich an der Auffangrille unterhalb des Fensters und wurde durch Lappen aufgefangen.

Dann war es soweit. Das kochende Wasser wurde nun in die bereitstehende Wanne eingefüllt.


buedBild Archiv HGV

Baden wie am Fließband
Die “Zeremonie“ konnte beginnen.
Zuerst war meine kleine Schwester an der Reihe. War das Wasser zu heiß, wehrte sie sich wie ein Mehlwurm, der an einem Angelhaken hing. Sobald sorgte ein Guss kalten Wassers für Angenehmheit. Eintauchen, aufstehen, einseifen. Eine Bürste durfte nicht fehlen. Haare waschen, hinsetzen, abgespült wurde mit einer Schöpfkelle. Raus aus der Wanne, abtrocknen, in eine Decke einwickeln, ab ins Wohnzimmer, sich still verhalten.

Wir Brüder stiegen anschließend zu zweit in die Wanne, in das gleiche Badewasser meiner Schwester. Wasser war natürlich schon übergeschwappt und von der ausgelegten Umrandung aufgesogen worden. Ein Eimer Wasser war der Wanne entnommen und im Spülstein entsorgt worden. Der Inhalt eines Kessels wurde nun wärmend von Mutter beigegeben und das gleiche Prozedere wie bei meiner Schwester begann für uns Jungen. Gegen die beißende Unart der verwendeten Kernseife in den Augen bei der Kopfwäsche, halfen nur noch Waschlappen. Da Mutter aber stets spannende Geschichten während unserem “Bade-Spaß“ erzählte, überstanden wir die Prozedur stets mit Bravour. Ihr trockener Humor, der manchmal in ein schiefes ironisches Lächeln mündete, war ihre große “Unterstützung“.

Wenn wir Kinder nun gebadet waren, wurden die Ohren geputzt, dann Finger und Fußnägel geschnitten. War Creme vorhanden, erhielten das Gesicht, Hände, Arme und Beine einen leichten “Aufstrich“. Nun noch die Haare, die mit dem Handtuch trockengerubbelt und gekämmt wurden. Frische Schlafanzüge lagen bereit und wurden angezogen, um im Wohnzimmer, neben der Schwester, Platz zu nehmen. Dadurch sollte verhindert werden, dass wir uns wieder schmutzig machten. Oft vernahmen wir von Mutter die Frage, ob wir unseren Spass am Bad gehabt hätten? Übereinstimmend wurde diese Frage laut und deutlich bejaht. Das wiederum entlockte ihr die Feststellung, dass wir dies aber unseren Gesichtern noch nicht gesagt hätten, denn die hätten vom Spass noch nichts mitbekommen. Sie wollte damit auf den Ausdruck unserer Gesichter hinweisen, die den Ausdruck eines Beutels gefrorener Erbsen, der an einem Baum hing, widerspiegelten.

Die Küchentür wurde nun von Mutter verschlossen. Wir vernahmen, wie das  gebrauchte Wasser aus der Wanne geschöpft und in den Spülstein gegossen wurde. Durch den Abfluss gelangte das Wasser über eine Ablaufrinne in die Gosse, die an Samstagen, da ja fast überall Badetag war, besonders gut “gefüllt“ schien. Kanalisation war ein totales Fremdwort auf dem Lande. Dann goss Mutter frisches, heißes Wasser in die Wanne und badete selbst.


Viel Arbeit nach dem Bade-Spaß
Etliche Zeit war vergangen. In der Küche wurde man das Gefühl nicht los, dass das “Dampfbad“ an Intensität merklich zugenommen hatte. Die Handtücher rund um die Wanne waren mit Wasser vollgesogen und gaben dieses auf den weiteren Fußboden ab.

Fester auf, Tür auf, ein Schwall frischer Luft sorgte für eine gewisse Annehmlichkeit. Sauerstoff war das “Zauberwort“, denn Mutter war “geschafft“.

Aber der schwerste Teil des “Bade-Spaßes“ stand noch bevor. Wieder musste die Wanne geleert und diesmal gesäubert werden. Der Küchenboden wurde trockengewischt, die Wasserkessel mussten ausgetrocknet und verstaut werden. Schließlich noch die schwere Zinkwanne in den Schuppen verfrachtet.
“Dem Himmel gedankt“.

Mal wieder überstanden für eine Woche. Bis zum nächsten Samstag, wenn der Zauber des “Bade-Spaßes“ in der Küche die ganze Familie wieder in Anspruch nahm.