Ja, wie war es früher vor ungefähr 70 Jahren mit dem neuen Lebensabschnitt?
Einschulungstermin war stets nach den Osterferien und alles etliche Nummern kleiner als heutzutage. Für mich begann der “Schulalltag“ im April 1947.
Zur Einschulung gab es einen Lederranzen, der vom Schuster aus einem kräftigen Leder hergestellt worden war.
Diesen Ranzen hatten schon meine ältere Schwester und mein Bruder getragen, er sollte auch noch von meiner jüngeren Schwester getragen werden. Eine Schultüte gab es zu dieser Zeit noch nicht.
Mit dem Ranzen auf der Schulter, in Begleitung der Mutter oder des Vaters, machten sich die “Neuschüler“ auf den Weg zur Schule. Waren Mutter und Vater aber unabkömmlich, übernahmen ältere Geschwister die Begleitung. Unter dem etwas hämischen Gesang der Schüler, dass die Einzuschulenden ja noch kein i und auch kein a könnten, wurden sie vom Rektor und den jeweils eingeteilten Klassenlehrern auf dem Schulhof in Empfang genommen.
Kurze Begrüßung durch den Rektor.
Die “Begleitpersonen“ wurden verabschiedet, die Kinder in den Klassenraum geführt, nach Geschlechtern getrennt, die Plätze in den engen Zweierbänken zugewiesen. Gewöhnungsbedürftig das abgeschrägte Schreibpult, an dessen oberen Ende eine Vertiefung für Griffel, Federhalter und Stifte eingelassen war. Daneben, versenkt, die Vorrichtung für ein kleines Tintengefäß. Ohne viel “Federlesen“ begann der Unterricht.
Im Ranzen befanden sich am ersten Tag: Eine Schiefertafel, Schiefergriffel, Griffelkasten aus Holz und ein Schwämmchen in einer Blechdose. Die Schiefertafel hatte auf der einen Seite Linien (die Schreibseite), auf der anderen Karos (die Rechenseite). Die Tafel wurde in einem stabilen Pappkarton aufbewahrt. Diese Schulutensilien wurden nach Tagen noch durch ein Lese- und ein Rechenbuch ergänzt.
Wir schrieben also, nicht wie heute, mit Stifte in Hefte, sondern mit dem Schiefergriffel auf die Tafel. Es mag sich ungewöhnlich anhören, aber es war sehr praktisch. Hatte man sich verschrieben oder verrechnet, was nicht selten der Fall war, konnte man es wieder auswischen. Dazu diente das angefeuchtete Schwämmchen aus der kleinen Blechdose. Auch der mit Spucke benetzte Finger erfüllte manchmal seinen Zweck.
Trocken rieb man die Tafel dann mit einem Lappen. Der Lappen war an einer Bohrung der hölzernen Tafelumrandung mit einer Schnur befestigt. Weil der Tafellappen, der oftmals wie ein gehäkelter Topflappen aussah, durch das Wischen feucht wurde, ließ man ihn am Ranzen heraushängen. Ein verschmutzter Wischlappen wurde natürlich oftmals ausgewechselt, denn Sauberkeit und gutes Benehmen waren oberstes Gebot.
Buchstabe für Buchstabe wurde geübt. Nicht selten diente ein Buchstabe dazu, in Schönschrift die gesamte Schreibseite der Tafel auszufüllen. Mit fortschreitender Schulzeit hieß das “Zauberwort“ nämlich Schönschreiben. War der Griffel dann nicht richtig angespitzt, sondern präsentierte sich leicht abgestumpft, war der “Mangsche Anfall“ vorgezeichnet. Als Hausarbeit alles aufs Neue, die ganze Tafel voll.
Es empfahl sich, stets mit sauberen Händen zur Schule zu kommen, denn schmutzige Finger wurden oftmals mit schmerzhaftem Ohrenziehen durch die Lehrer bestraft. Wer frech oder laut im Unterricht wurde, den bestrafte nicht das Leben, sondern die jeweilige Lehrperson.
Aufgeregte Gemüter brachten die Lehrpersonen mit saftigen Strafarbeiten oder Nachsitzen zum Abkühlen. Härtere Fälle bekamen auch schon mal ein Lineal auf die Fingerkuppen. Der Züchtigung durch einen Rohrstock aufs Hinterteil bediente sich die Lehrerschaft nicht mehr. Diese Art der “Belehrung“ war zum Glück vorbei, wurde aber bis Anfang der 30er Jahre noch angewandt. Ein Schulgesetz, welches das Schlagen der Kinder erlaubte, wurde im Jahre 1835 eingeführt und erst 1960 abgeschafft.
Das Schreiben und Rechnen auf der Schiefertafel war für uns Schüler Ende des zweiten Schuljahres vorbei. Es begann die Zeit der Hefte, der Bleistifte und der Füllhalter. Dies war nicht immer ein “Zuckerschlecken“, da die Papierqualität sehr zu wünschen übrig ließ. Kein Wunder zu der damaligen Zeit. Der Leimzusatz im damaligen Papier war oftmals so hoch, dass ein Verlaufen der Tinte nicht zu vermeiden war. “Tintenkiller“? Zu dieser Zeit ein Unding.
In diesen Momenten sehnte man einfach die Schiefertafel zurück, denn verschrieben oder verrechnet, Schwamm und Tafellappen bedient, Aufgeregtheit gleich Null.
Woran ich mich noch sehr gut erinnere, ist, dass es für Mädchen und Jungen nicht nur getrennte Klassen gab, nein, es waren auch getrennte Pausenhöfe vorgesehen. Eine damals liebgewonnene Erfahrung, weniger für die älteren Schüler und Schülerinnen. Noch eine Gegebenheit möchte ich ansprechen. Große “Probleme“ hatten die “Linkshänder“. Mit Akribie achteten die Lehrpersonen, beginnend mit dem ersten Schultag, darauf, dass die Schreibhand stets die “Rechte“ war. So schwer die Umstellung für manchen Schüler auch war, Kompromisse gab es nicht und jegliche Debatte war unnütz.
Es war für die “Linkshänder“ gewiss nicht einfach, doch durch lange Übung gelang die geforderte Umstellung. Dann die “Wende“. Mit Ende der Schultätigkeit von Frau Mang (1957) endete auch der “Zwang“ der Umstellung für die “Linkshänder“.
Nicht selten, wenn man in späteren Jahren jemand gewahrte, der des Schreibens mit der linken Hand mächtig war, fiel der Spruch, dass er oder sie niemals „bei dä “Mangs“ en de Klass woor.“
Trotz aller als modern propagierten Schulformen und Ausstattungen stellt sich mir oftmals die Frage: War unser schulischer Wissensstand nach acht Schuljahren besser oder eingeschränkter gegenüber der heutigen Zeit mit propagierten und angeblich modernen Lehrmethoden?
Ich entziehe mich einer Antwort, da ich nicht provozieren möchte.