Erinnerungen an die Familie Dykstra, eine in Vettweiß allseits beliebte und geschätzte Familie, aufgeschrieben von den Gebrüdern Franz-Herbert (30.04.1932 + 22.07.2020) und Hermann-Josef (14.06.1934) Courth.
Der Senior der Familie, Fritz Dykstra wurde im Jahre 1896 in dem kleinen Dorf Heeg in der Gemeinde Südwest Fryslân in der niederländischen Provinz Friesland geboren. Er verstarb am 07.02.1969 und wurde in Vettweiß beerdigt. Das Grab der Familie Dykstra besteht nicht mehr.

Schon in jungen Jahren führte Fritz Dykstra‘s Weg nach Deutschland. Bei mehreren Bauern in der rheinischen Region verdingte er sich als lediger Melker, wobei er in der Regel ein Dutzend Milchkühe zu versorgen hatte.
Nach einigen Jahren lernte er Johanna, geb. Neuwald (*07.01.1903 + 23.08.1996) kennen und lieben. Für das junge Paar galt es nun ein höheres Einkommen, d.h. einen Bauernhof mit einem höheren Viehbestand zu finden.
Da bot sich der Frohnhof in Vettweiß, mit einem Abmelkstall von zweiundzwanzig Milchkühen an. Es war genau die Größenordnung, die das Ehepaar Dykstra bewältigen konnte.
Am 1. April des Jahres 1928 zogen die Eheleute Dykstra dann in das alte Haus auf dem Frohnhof ein und übernahmen den Kuhstall und die Versorgung der Schweine.
Das Ziel der Rindviehhaltung war damals eine hohe Milchleistung. Täglich wurden etwa 400 Liter Milch gemolken. Die Kühe lieferte ein jüdischer Viehhändler aus Königsberg. Das Geschäft mit ihm lief auf Treu und Glauben; unser Vater hat den Händler persönlich nie gesehen. Die Kühe kamen hochtragend per Bahn an und wurden dann bis auf eine Leistung von zehn Liter abgemolken. Danach wurden sie dem Schlachter, in der Regel war es die Metzgerei Jean Eversheim, zugeführt.
Die Eheleute Fritz und Johanna Dykstra versorgten die Kühe und Schweine des Frohnhofs bis zur Pensionierung von Fritz im Jahre 1960. Danach übernahm Dirk Lindeboom, ebenfalls aus Friesland stammend, deren Position.
Dykstra-2.jpegVater Fritz Dykstra mit Lambert Courth, Sohn des FronhofbesitzersDie Eheleute Dykstra hatten die Söhne Heinrich, auch Heinz oder Drickes genannt, sowie Fritz. Heinz wurde am 10.01.1930 geboren und verstarb 23.08.1996 in Vettweiß. Seinem Wunsch entsprechend wurde seine Urne bei Laboe der Ostsee übergeben.
Sein jüngerer Bruder Fritz wurde am 16.04.1934 in Vettweiß geboren und verstarb dort am 03.04.1982. Beerdigt wurde er in Vettweiß.
Fritz war behindert. Nach seiner Schulentlassung half er seinem Vater bis zu dessen Pensionierung bei der Versorgung des Viehs.


Nun zu Heinrich oder Heinz Dykstra.
Mein Bruder Franz Herbert hat beim Ausscheiden von Heinz aus dem Arbeitsleben am 31.01.1990 folgende bemerkenswerte Laudatio gehalten:

Lieber Heinrich,
wenn ein so großer Lebensabschnitt endet und ein neuer beginnt, dann lässt man die verflossenen Jahre Revue passieren.
Was waren diese langen Jahre für eine geschichtsträchtige Zeit.
Du bist auf dem Frohnhof aufgewachsen. Es entwickelte sich schon früh ein freundschaftliches Verhältnis. Die Beziehung der Familien Dykstra und Courth war immer auf großem Vertrauen und gegenseitiger Achtung aufgebaut.
Wir beide sind zusammen in die Schule gegangen. Nach deiner Schulentlassung hast du im Alter von 14 Jahren in Düren eine Lehre als Karosseriebauer begonnen.
Nachdem du mehrere Male zu Fuß abends von Düren nach Vettweiß laufen musstest, weil durch Kriegseinwirkung kein Zug mehr fuhr und das Leben hier im Westen immer gefährlicher wurde, hast du die Lehre abgebrochen und im Oktober des Jahres 1944 die Arbeit auf dem Frohnhof aufgenommen.
Es war damals der Kriegswinter 1944/1945. Vettweiß war ca. sechs Monate Kriegsgebiet und die Luft oft sehr bleihaltig. Trotzdem musste das Vieh versorgt werden, wobei das Futterholen wegen der Tiefflieger eine äußerst gefährliche Angelegenheit war.
Dykstra-3.jpegDie Freunde Heinrich Dykstra (r) und Franz-Herbert CourthSicherlich hat das Zusammenleben der Familien Dykstra und Courth in dieser gefahrvollen Zeit im Luftschutzkeller des Frohnhofs, wir beteten dort gemeinsam den Rosenkranz, und im Erdbunker hinter dem Missionskreuz ein ausgeprägtes Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt.
Als dann am 27. Februar 1945 die Amerikaner Vettweiß eroberten, waren der Krieg und damit die unmittelbare Gefahr für Leib und Leben Gott sei Dank vorbei; alle waren froh überlebt zu haben.
Nun begann der Wiederaufbau. Er bestand darin, dass ca. 200 Bombenkrater mit den einfachsten Mitteln zu verfüllen waren. Tausende Steine wurden abgeklopft und endlos Dachziegel auf die Dächer geschleppt.
Das Papiergeld war wertlos; es galt nur die sogenannte Naturalwährung. So kostete ein Doppelzentner Weizen, wenn man ihn überhaupt kaufen konnte, 1.000,00 RM, eine amerikanische Zigarette 6,00 RM.
In der Nacht vom 30. Juni zum 1. Juli des Jahres 1948 wurde dann die deutsche Mark geboren. Es begann eine neue Zeit.
Mit schlagartiger Stabilisierung der Wirtschaft setzte erst langsam und dann immer rasanter die Modernisierung und Mechanisierung der Landwirtschaft ein. Es war die Zeit, als die meisten Landarbeiter in die Industrie abwanderten. Für dich war das nie ein Thema.
In der nun eintretenden Mechanisierungsphase wurde aus dem sehr gewissenhaften Gespannführer Heinrich Dykstra der exakte, gewissenhafte Schlepperfahrer und Maschinenführer.
Ohne jemals eine Ausbildung oder Schulung technischer Art absolviert zu haben entwickeltest Du aus Begabung und innerem Gefühl eine Qualifikation die Zusammenhänge von Landwirtschaft, Technik und Natur in Einklang zu bringen. Im Laufe dieser Entwicklung wurdest du zum modernen landwirtschaftlichen Facharbeiter mit allerbestem Wissen und Können.
Kaum wagten Rudi Jöntgen und ich, die wir am 01.07.1975 eine Maschinengemeinschaft gegründet hatten, dir zu widersprechen, war auch ganz selten notwendig, denn deinen Rat und deine Vorschläge konnte man meist kommentarlos akzeptieren. Wir waren bei Dir stets guten Händen.
Und nun sind die Jahre ins Land gegangen. Es waren 46 arbeitsreiche Jahre mit sehr vielen Begebenheiten, an die man sich heute gerne erinnert. Es waren 46 Jahre in Fleiß, Gewissenhaftigkeit und Einsatz für den Frohnhof und seine Bewohner. Es waren 46 Jahre wertvoller menschlicher Beziehungen. Für all‘ dieses heißt es heute zu danken, vielen herzlichen Dank. Es war nicht immer alles selbstverständlich.
Lieber Heinz,
Dykstra-1-free.jpegHeinz DykstraDu hast dich nun entschlossen, umzuschulen. In Österreich würde man sagen, Pensionist zu werden.
Für diesen, deinen neuen Beruf als Pensionist wünsche ich und wünschen wir dir alles erdenklich Gute, vor allem eine stabile Gesundheit.
Dein neuer Lebensabschnitt ist dank deiner Sparsamkeit und der Begabung, das Ersparte auch zu vermehren, gesichert, denn du hast ein schönes Anwesen in der Gartenstraße und eine Eigentumswohnung in Kreuzau erworben.
Bezogen auf Deine Rente wünschen wir dir, dass du dem Staat noch lange zur Last fällst. Du hast es redlich verdient.
Soweit die Ausführungen meines verstorbenen Bruders Franz-Herbert anlässlich der Verabschiedung von Heinz Dykstra.
Langanhaltender Applaus der Familie Courth sowie der seiner Kollegen sorgten beim so Geehrten für feuchte Augen.
Zum Persönlichkeitsbild von Heinz noch einige Anmerkungen.
Neben seinem Beruf, den er stets mit Freude ausübte, galt seine Sorge und volles Engagement stets seiner Familie, seiner geliebten Frau Liesel, seinen Eltern und seinem Bruder. Alle hatten für ihn höchste Priorität.
Zudem seine Vettern und Cousinen in Friesland. Zu ihnen pflegte er intensiven Kontakt. Gegenseitige Besuche waren daher für ihn eine Selbstverständlichkeit.
Nicht zuletzt die holländische Staatsangehörigkeit. Sie war für ihn und seine Familie unabdinglich. Heinz war einfach stolz auf seine Nationalität. Ein Wechsel der Staatsbürgerschaft war für ihn und seine Familie nie ein Thema und stand deshalb außer Frage.
Heinz hatte eine Leidenschaft, das Kartenspiel. Hier im Speziellen das Spiel „Sibbeschröm“. Jeden Sonntag, zur Frühschoppen Zeit, waren im Stammlokal Tisch und Sitzgelegenheiten für die immer gleiche Runde reserviert. Locker nahm die Runde stets das Spiel auf. Doch bei der kleinsten Unachtsamkeit oder Nachlässigkeit eines Spielers setzte ein derart lautes Nachkarten, eine Zurechtweisung ein, dass die Gäste in der gut besuchten Gaststätte ihre helle Freude hatten und der Gastwirt öfters bei den Spielern nachfragte, ob er mit einer Pistole aushelfen könne. Diese Runde als Gast auf Hörweite zu erleben, war für die Gästeschar ein Genuss.
Abschließend bleibt festzuhalten, dass es die Familie Dykstra in Vettweiß nicht mehr gibt. Allen, die sie gekannt haben wird sie jedoch in bester Erinnerung bleiben.
Im Übrigen mögen die vorstehenden Zeilen dem geneigten Leser ein Teil Vettweißer Familiengeschichte in einer turbulenten Zeit vermitteln, die durch Fleiß und einer Portion Genügsamkeit sehr, sehr lebenswert zu gestalten war.

Dr. Hermann Josef Courth