Eine Vettweißer Bürgerin erzählt: Bei Beginn des Krieges war ich, Elisabeth Weber, 13 Jahre alt.
Wie schrecklich es werden würde, ahnten wir als Kinder nicht. Wir übten Luftschutz. Mit der Lehrperson liefen wir zum Kirchplatz und stellten uns dort unter Lindenbäume, damit wir nicht von Feindflugzeugen gesehen wurden. Damals war das für uns eine willkommene Unterbrechung des Unterrichts. Wir ahnten als Kinder nicht, wie unsinnig diese Manöver waren.

Erste Bombe in Vettweiß
Im September 1939 fiel in Kettenheim die erste Bombe. Das Haus von Christoffels wurde zerstört. Da merkten wir wie wichtig die Übungen für uns waren. Immer öfter verbrachten wir Stunden am Tag und in der Nacht im Keller. Zwar wurden die Städte bombardiert, doch wir konnten uns nicht sicher sein, ob nicht mal wieder eine Bombe in unser Dorf fiel. Manche Flugzeuge wurden ja auch von der Flak getroffen. Alles wurde verdunkelt, damit der Feind keinen Anhaltspunkt fand. So glaubten wir sicher zu sein.

Not in Vettweiß
Es gab Lebensmittelkarten, alles wurde rationiert. Mit der Schule sammelten wir Pflanzen, die getrocknet wurden. Es war der Tee für die Soldaten, den wir nun ausgaben. Von Jahr zu Jahr steigerte sich die Not und das Kriegsgeschehen. Immer mehr Todes- und Vermisstennachrichten erreichten unser Dorf. Unsagbares Leid gab es nun in Vettweiß, und mit jeder Nachricht wurde uns der Unsinn des Krieges bewusst. Unsere Schulkameraden wurden Opfer der Sinnlosigkeit, damals fast noch Kinder. Düren wurde bombardiert, dort starben die ersten Vettweißer. Die ersten Granaten von der herannahenden Front schlugen in Vettweiß ein. Josef Schmied wurde getroffen und verstarb. Damals war ich 18 Jahre alt. Der Kampf tobte im Hürtgenwald.

Bombenangriff auf Vettweiß
Am Fest des heiligen Andreas hatten wir um 7 Uhr Messe, es war der 30.11.1944. Es wurde ein schlimmer Tag für Vettweiß. Ohne Vorwarnung fielen gegen 11 Uhr Bomben und zerstörten einen Teil des Dorfes. Überall lagen die Toten, manche wurden nie gefunden. Einige Häuser brannten, wie flüchteten in die Felder und legten und dort hin.

Immer wieder kamen Tiefflieger und beschossen unser Dorf, denn Vettweiß war Ausladebahnhof für unsere Soldaten. Von hier aus marschierten sie zum Hürtgenwald, wo die Front war. Die meisten kehrten nie mehr zurück.

In der Kirche lag eine tote Frau, ich kannte sie nicht. Es waren auch Flüchtlinge aus der Eifel in Vettweiß. Nie werde ich vergessen, wie Willi Erasmi seine tote Frau und 4 seiner Kinder auf einem Pferdekarren zum Friedhof brachte. Eine Tochter von ihm überlebte das Inferno. Es war grauenvoll. Viele die wir gekannt hatten, waren tot.

Evakuierung
Und wir lebten weiter in Angst. Das Dorf wurde evakuiert, wir verließen Vettweiß und machten in Zülpich-Hoven bei Verwandten Halt. Als die Bomben auch dort einschlugen, flüchteten wir weiter. In Kuchenheim trafen wir Familie Hoch. Wir suchten uns dort eine Unterkunft. Einer half dem anderen, und wir trösteten einander. Auch dort fielen dann die Bomben, die Angst nahm kein Ende. Mein Vater sagte:"Nun mag es kommen wie es will, wir gehen nicht über den Rhein, denn dann kommen wir nicht so schnell wieder nach Hause."

Erstes Kriegsende
Dort, in Kuchenheim, erlebten wir die Front ein zweites Mal. Die feindlichen Soldaten nahmen immer mehr Dörfer ein. Wir saßen im Keller - bis wir fremde Laute vernahmen. Mein Vater ging mit einer weißen Fahne nach oben, dann mussten wir alle aus dem Keller kommen. Alles wurde untersucht, und wir durften zurück in den Keller, denn der Kampf ging ja weiter. Die Front zog dann schnell weiter, die Besatzungstruppen folgten. Wir mussten uns ihnen unterordnen.

Wir durften nach Hause
Am 19. Märt bekamen wir einen Passagierschein und durften nach Vettweiß ziehen. Abends gegen 6 kamen wir dort an. Ein Posten kontrollierte unsere Passierscheine, und dann durften wir wieder in unser Haus. Das Dach war zerstört. Wir zogen ein und waren erstmals froh, den Wirren des Krieges entkommen zu sein. Einige waren in Vettweiß geblieben, hatten sich hier versteckt. Wir freuten uns über jeden, der zurückkam. Wir durften von 7 - 19 Uhr auf der Straße sein, danach durften wir die Häuser nicht mehr verlassen.

Die Zerstörung der Kirche
Doch der Krieg war noch nicht zu Ende. Die Besatzungstruppen bauten einen Flugplatz zwischen Kelz, Gladbach und Vettweiß. Dafür benötigten sie Schutt für die Befestigung. Obwohl es genug Trümmer gab, sollte unsere Kirche gesprengt werden. Alles Bitten und Verhandeln half nichts. Auch nicht, als wir dem Kommandanten, der ein Jude war, sagten, dass hier keine Nazis seien. Es war ein Racheakt als Vergeltung für die Zerstörung der Synagoge durch die Nazis. Und so wurde die Kirche doch noch Opfer des Krieges.

Die Besatzungsmacht ließ uns einen Tag, um etwas aus der Kirche zu retten. Dann legte man Strohballen um die Kirche, goss Benzin drüber und zündete an. Wir standen erstarrt, hilflos und weinend und sahen der Zerstörung zu. Es war die Karwoche des Jahres 1945.Die ganze Woche wurde gesprengt, am Karfreitag war unsere Kirche nur noch ein Trümmerhaufen. Dann wurden die Trümmer mit LKWs abtransportiert zur Befestigung des Flugplatzes. Auf diesem Flugplatz starteten die Flugzeuge der Amerikaner, mit Bomben beladen bis an die Front, die inzwischen schon hinter dem Rhein war. Der Krieg dauerte immer noch an.

Endgültiges Kriegsende
Als endlich das Ende des Krieges kam, atmeten wir auf. Wir mussten uns auch hier der Besatzungsmacht unterordnen, und wir hatten nicht viel Nahrung. Kartoffeln ja, aber die konnten wir nicht alle aufessen, denn wir brauchten ja auch etwas für die Saat. Unter den Besatzungssoldaten waren auch manche, die uns etwas Brot gaben. Wir haben auch die Abfallhaufen durchsucht nach Essbarem. Wir waren in unserem Haus zu mehreren Familien, teilten alles und hielten so alle zusammen. Wir hatten ja immer noch Angst. So gaben wir einer den anderen Halt.

Kriegsgraeberstaette Vettweiss FriedhofHoffnung auf eine bessere Zeit.
Wir hofften auf eine bessere Zeit. Nach und nach kehrten immer mehr nach Vettweiß zurück. Es wurde gewartet auf unsere Soldaten - viel kamen aber nicht mehr. Und so habe ich eine Liste erstellt von den Opfern des Krieges. Alle sind in meinen Gedanken - jetzt nach 50 Jahren. Jeden habe ich klar vor Augen, ich habe sie alle gekannt.

Es erschüttert jetzt noch immer mein Innerstes, und es geht nicht ohne Tränen.

 

Wünsche für die Zukunft
So habe ich den Krieg erlebt, und wünsche keinem, dass so etwas noch einmal passiert.

 

Quelle: Projekt Hauptschule Vettweiß zum 50.Jahrestag der Kapitulation
Entnommen:"Mitteilungen der Gemeinde" vom 2.6.1955 - Nummer 135