Hoch ProtraitJohann Hoch (10.12.1890 - † 21.4.1971)

Eine Übertragung aus Sütterlinschrift durch Hubert Brandenburg

Meine Erinnerungen an die zweite Novemberhälfte 1944 an die Evakuierung, die Heimkehr und den Wiederaufbau.

Der Angriff
Die Front kam immer näher. Die braune sogenannte KRAWEST und SS Truppen stellten sich ein. Man war nicht mehr Herr im eigenen Hause und fühlte sich nicht wie daheim. Schwägerin Klara mit Karl aus Aachen waren fast den ganzen Sommer bei uns gewesen. Außerdem waren Frau Knipprath aus Boich mit Tochter Margarete, es waren Mutter und Schwester der Schwägerin Gertrud Wintz aus Kreuzau, bei uns im Hause.

Vettweiß war Ausladebahnhof und das Dorf lag voll Soldaten. Vor unserem Haus stand ein Geschütz, nicht mehr kampffähig, aber leicht getarnt. Außerdem waren in unserem Anwesen vier schwere LKW, von oben sichtbar, untergestellt. Kein Wunder, daß von drüben sich auch einmal jemand für unseren Ort interessierte. So rückte allmählich der 30. November heran.

Wehrmachts LKW 1944 auf dem Hof der Familie Hoch

Als ich am Morgen vom Schlafzimmer die Treppe herunter ging, dachte ich: Wie oft magst du hier noch runtergehen und ahnte nicht, dass es das letzte mal sein würde.

Haus und Hof der Familie HochHaus und Hof der Familie Hoch

Gegen 10 Uhr überflogen Tiefflieger den Ort. Es mag kurz nach 11 Uhr gewesen sein, ging ich zur Schmiede Erken gegenüber, um dort über den Fall einer möglichen Flucht zu überlegen, aber wir sind nicht mehr dazu gekommen, denn bald hieß es:
Da kommen Flieger.
Jeder suchte etwas Schutz zu erreichen. Dann ging auch das Getöse und die Erschütterungen und die Verschüttungen los.
Es wurde dunkel wie die Nacht. Als es wieder heller wurde, rief ich:"Heinrich, bist Du noch da?" Er antwortete leise:"Laß uns versuchen bei uns in den Keller zu kommen".

Als wir ins Haus kamen, sahen wir, daß der hintere Giebel getroffen war. Frau Erken lag rücklings auf der Kellertreppe, jedenfalls hatte ein Luftdruck sie gepackt. Wir richteten sie auf, und setzten sie im Keller auf eine Bank. Dann kam mir zu Bewußtsein, daß unser Haus flach dalag. Ich ging hin, Mutter stand draußen und rief um Hilfe. Ich fragte:"Wie sieht es aus?"
Sie antwortete:"Unser Josef." Dann sah ich zuerst den Sohn von Hubert Dortu verschüttet liegen. Ich machte seinen Oberkörper frei und sagte:"Sei ruhig, Dir passiert nichts mehr."
Seinen Sohn Willi hat Dortu selbst gefunden und freigemacht. Seine Tochter lag tot in der Gasse. Unser Arbeiter Heinrich Schink lag von niedergehendem nassem Erdreich verschüttet, wie festgemauert im Freien. Er wurde von einem Sanitätswagen abgefahren, starb in Bonn, und liegt dort auf dem Nordfriedhof beerdigt. Im Kuhstall schrie ein Ukraine Mädchen. Es war zwischen Betonbrocken eingeklemmt, von der Decke her. Hubert hat sie freigemacht. In der Küche war meine Schwester, in mehr kniender Lage von dem Trägerbalken belastet am Boden festgehalten Ich entdeckte 2 Schuhe und sagte:"Da liegt ja jemand." „Das bin ich", sagte die Schwägerin Klara. Die war ganz verschüttet und zum Glück nicht erstickt.
Nachdem wir sie frei hatten, das Geröll fiel noch immer nach, konnten wir uns mit dem Balken beschäftigen. Dieser lag mit dem einem Ende auf dem Küchenschrank und mit dem anderen auf loser Erde. Mit der Winde war nichts auszurichten. Schließlich gelang es doch, den Balken etwas zu lüften. Tante hatte zwar einen Knöchel gebrochen, aber sie war frei.

Es war wenig Hilfe da. Die meisten Leute waren aus dem Dorf geflohen und hatten Schutz in den Trichtern gesucht. Nun fanden wir Zeit um "die", die im Wohnzimmer,
welches ganz flach lag, gewesen waren, frei zu machen.

Josef HochJosef HochEs waren unser Josef und Frau und Fräulein Knipprath. Tot. Da anderswo kein Platz war, mussten sie in die Kirchgasse gelegt werden, wo noch gerade soviel frei war. Jemand hat sie dann mit Rollostoff zugedeckt.

Die Evakuierung

Gegen Abend kamen die Kreuzauer angefahren. Daraufhin hat Schwager Wilhelm, Tante und Klara, die Verbrennungen an einem Oberbein hatte, nach Kuchenheim zu Fräulein Ley gefahren. Um nicht mit den JABOS in Berührung zu kommen, war es schon vor Tagesanbruch. Er brachte die Nachricht mit, wir sollten Alle dorthin kommen.
Wir hatten bei Bruder Bernhard Unterkunft bekommen. Zwischendurch hatten wir noch einige Habseligkeiten gefunden und uns zur Abfahrt gerüstet. Bei dem Angriff hatten 2 Bomben unser Anwesen getroffen, eine in der Toreinfahrt und die andere landete mitten im Hofraum. Von dieser muß wohl Schwager Karl, der gerade im Hof war, von dem Luftdruck in die Höhe gegangen sein. Er hatte den Kopf verletzt, sein Gehör hatte auch gelitten. Seinen Hut fanden wir später beim Aufräumen mitten unter dem Schutt.

Nun war es schwer einen Wagen herauszufahren. Da hat Kreuzauer Severin mit einem Kameraden angepackt und die tiefsten Stellen zugeschüttet. Bei dem Angriff war unser Brunnen von Leuten umstanden, die Wasser holten. Dadurch waren viele verschüttet. Bei diesen war auch noch ein Ukraine Mädchen, welches bis dahin nicht erwähnt wurde.
Hoch-5 webFriedhof Vettweiß Massengräber Inzwischen hatte man auf dem Friedhof Massengräber ausgehoben. Samstags in aller frühe haben wir dann unsere Toten mit einer Tragbahre dorthin gebracht. Schwester Traudchen war anwesend. Martin Michels hat dabei mitgeholfen. Dechant Bohnekamp aus Düren, war damals noch Kaplan, hat nachmittags die Gräber eingesegnet.

Gegen Abend sind wir nach Langendorf gefahren, um dort bei Familie Vohlen zu übernachten. In Langendorf konnten wir nicht bleiben. Bei den Verwandten waren die Häuser schon überbelegt. Wegen schlechtem und Sturmwetter sind wir dort einen Tag länger geblieben, dann fuhren wir nach Kuchenheim. Dort hatte uns Frau Herbst ihre gemietete, möblierte Wohnung überlassen.
In Kuchenheim wurden Brandwunden von Maria und ihrer Tante Klara von Herrn Stolz, späterer Mann von Fräulein Ley, der Sanitäter war, gepflegt. Marias Wunden am Oberarm heilten schneller. Jedoch Klara mußte ins Krankenhaus nach Godesberg, wo sie auch ihr Leben lassen mußte. Sie wurde in Kuchenheim beerdigt und später nach Gangelt überführt. Ob die Wunden vom Phosphor herkamen, wurde nicht festgestellt. Das Nachzehren sprach aber dafür.

In Kuchenheim hätten wir ruhig leben können, wenn nicht so viele Tiefflieger gekommen wären. Tagsüber habe ich mir meist bei Karl Wershoven Arbeit gesucht. Dort stand auch unser Trecker. Mutter und Maria haben viel gestrickt. Tante musste das Bett hüten. Als sie aufstehen konnte, hatte sie kaum etwas zum anziehen. Fräulein Ley hat Stoffreste gestiftet um ihr ein Kleid anzufertigen.
Die Front kam nun auch hier immer näher. Am 5. März rückte der Ami ein. Wir fühlten uns wie erlöst, waren aber zu früh auf die Straße gegangen. Dabei erhielt H. Nöldgen einen Armschuß. Dort waren wir im Keller gewesen. Der Amiarzt hat ihn verbunden. Die Amioffiziere haben uns sehr human behandelt. Wir rauchten die ersten Amizigaretten.

Die Heimkehr
Von da an wurde es uns zu lang bis wir nach Hause konnten. Am 19. März war es soweit. Vorerst mussten wir noch den Traktor reparieren. Als der Ami kam, hatte er Splitter abbekommen. Hinten ein Plattfuß, die Schutzscheibe kaputt und zwei Splitter im Kühler.
Da die Erftbrücke zerstört war und man nur Nebenstraßen benutzten durfte, sind wir auf Umwegen über Frauenberg abgefahren. Es war aber noch zu früh gewesen. Als wir in dem Dorf ankamen hieß es gleich: Fahrräder und Traktoren von der Straße. Farbige und Polen trieben mit Rauben und Plündern ihr Unwesen. Nachher wurden die Polen abgeschoben und die Farbigen von der Militärpolizei in Schach gehalten. In Vettweiß angekommen, sind wir dann zuerst bei Essers am Friedhofsweg, die mit uns von Kuchenheim gekommen waren, eingezogen.

Als wir unser Anwesen betraten, mussten wir feststellen, dass sich dort noch vieles verändert hatte. Im Pferdestall war ein Einschuss, der Schuppen lag am Boden, sechs Treffer werden es wohl gewesen sein. Von den kleinen und kleinsten Splittern waren die Maschinen stark durchlöchert. Die meisten Löcher wiesen Sämaschine und Selbstbinder auf. Die Strohpresse war unbrauchbar geworden. Die Trümmer des Wohnhauses fanden wir arg durchwühlt und vieles mitgenommen. Man nannte es sicherstellen. Die Trümmer boten ein fremdes Bild. Der Brunnen war eingefallen, die Bodenbretter vom Speicher und den oberen Räumen waren verschwunden.

Von Essers aus sind wir dann im Mönchhof eingezogen, wo unser Bleiben auch nur kurz war, da wir wegen den Farbigen räumen mussten, die den Hof belegten. Also zogen wir wieder bei Essers ein bis zum Ostermorgen, wo wir wieder räumen mußten. Zusammen mit Familie Esser richteten wir uns bei Ink – Wirtz ein, da diese noch in Thüringen waren.

Überall musste zuerst aufgeräumt werden. Dieses wurde nun doch zu viel. Wir kamen zu dem Entschluss, uns wieder auf unserem Anwesen hereinzuarbeiten. Im Felde war das Allernötigste bestellt und wir konnten mit der Arbeit dazu beginnen.
Über der Futterei des Kuhstalls war die Decke heil geblieben. Dieser Raum wurde nun durch eine Mauer von dem anderen Teil abgetrennt. Aus dem alten Schulgebäude wurden uns sogenannte Fertigwände freigegeben, womit wir noch einzelne Räume abteilen konnten.

Dachziegel holten wir von Gebäuden, die bald zusammenstürzten. Diese Ziegel wurden später mit 5 – 8 Pfennig je Stück in Getreide und Kartoffeln vergütet. Vor der Ernte 1945 konnten wir einziehen und haben dort drei Jahre gewohnt. Am 2. Mai 1958 feierten wir Silberne Hochzeit. Nach der Ernte 1945 war es an der Zeit, die brachliegenden Felder wieder herzurichten. Die Feldarbeiten und das Aufräumen nahmen noch die Zeit von 1946 hindurch in Anspruch.

Der Wiederaufbau
Im Jahre 1947 konnten wir mit dem Aufbau des Wohnhauses beginnen. Die Maurerarbeiten übernahm Meister Wilhelm Junkersdorf, die Betonarbeiten, wie Fundamente und Decken nahmen wir selber vor. Vorerst wäre noch zu bemerken, dass wir zuerst nur eine Hälfte des Hauses mit Flur in Angriff nahmen.
Die Schreinerarbeiten am ersten Teil übernahm Meister Esser, die Zimmerarbeiten Gebrüder Schmitz. Dachdecker haben wir überhaupt nicht in Angriff genommen. In diesem Teil des Hauses konnten wir uns, vorerst ohne Türen, im Mai und Juni vor und nach damit einrichten. Wir hatten nun Zeit den anderen Teil straßenwärts aufzubauen. Die Schreinerarbeiten hierfür übergaben wir Meister Pieck.

Außer den Arbeiten am Haus, gab es noch Arbeit in Hülle und Fülle.
Stalldächer wurden als Notbehelf mit Dachpappe vom Flugplatz, der verlassen dalag, zugedeckt. Der Geschirrschuppen mußte wieder errichtet werden und sovieles andere mehr.
Inzwischen waren wieder drei Jahre ins Land gegangen, und so wurde es 1951, bis der zweite Teil des Hauses im Erdgeschoss fertig wurde.

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Hier endet die Aufzeichnung von Johann Hoch


 

Ergänzungen des HGV:

Auf dem Anwesen der Familie Hoch befanden sich noch zwei Blindgänger, die erst im Jahre 1977 durch den Kampfmittelräumdienst entschärft und geborgen wurden.

 

 Erster Bombenfund

Vettweiß: Erster Bombenfund

 Zweiter Bombenfund

 Vettweiß: zweiter Bombenfund

 

Eine zweieinhalb Zentner schwerer Sprengkörper wird abtransportiert

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Vettweißer Bürger warten auf die Entschärfung

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