johanna esser Portrait 150x210-oriJohanna Esser

Johanna Esser geb. Schulz aus Vettweiß hatte sieben Kinder, fünf Jungen und zwei Mädchen. Ihr Mann Peter Esser verstarb am 21.11.1921 im Alter von 43 Jahren nach kurzer Krankheit. Von nun an musste sie ihre Kinder im Alter zwischen einem und neun Jahren alleine erziehen. Ihr verstorbener Mann war Bahnhofsvorsteher in Vettweiß. Auf Drängen der französischen Besatzer musste sie ihre Wohnung im Bahnhof von einem Tag auf den anderen räumen. Leopold Schwarz (jüdischer Bürger) gewährte ihr und fünf Kindern Unterkunft in seinem Haus. Den beiden ältesten Söhnen Josef und Matthias erlaubten die Schwestern im Vettweißer Kloster auf dem Speicher zu nächtigen.

Haus alt 150X200Friedhofsweg 133c

 

 

Johanna Esser erwarb 1923 am Friedhofsweg ein Grundstück und baute dort für sich und die sieben Kinder ein Haus, das noch heute von Ihrem Urenkel Phillip Kaesmacher bewohnt wird. Alle ihre Kinder erlernten einen Beruf und übten diesen auch aus.

Als die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen, mussten auch Ihre Söhne zum Militärdienst einrücken.

 

 Josef, der schon seit dem 08. Oktober 1932 bei der Marine war, geriet am 04. August 1943 mit U-489 im Atlantik in Englische Gefangenschaft. Nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft im Jahr 1948, baute er mit seiner Frau Agnes, auf der damaligen Hauptstraße Nr.44 ein Haus. Die Familie komplettierten zwei Söhne. Er fand eine Beschäftigung bei der Deutschen Bundespost. Josef Esser war 33 Jahre Bürgermeister und Ortsvorsteher in seinem Heimatort Vettweiß.

Matthias kam zu einer Pioniereinheit nach Russland. Im Jahre 1939 baute er seine Schreinerwerkstatt am Friedhofsweg, von wo er 1958 in  eine Werkstatt mit Sägewerk an den Seelenpfad umzog. Er hatte maßgeblichen Anteil an den Schreinerarbeiten der neuen Vettweißer Kirche. Matthias war Bürgermeister des Ortes Vettweiß von Sept.1946 – Okt.1948. Am 06. Februar 1983 starb er nach einem Gesangsauftritt während der Prunksitzung der KG Vettweiß.

Peter fuhr vom 01. August 1940 bis Mai 1945 auf dem Schweren Kreuzer "Prinz Eugen". Nach dem Krieg arbeitet er bei seinem Bruder Matthias in der Schreinerei. Er sorgte als Elferratsmitglied mit dafür, dass der Sitzungs - und Straßenkarneval wieder stattfinden konnte. Auch in der Schützenbruderschaft war er als Offizier aktiv. Am Neuaufbau der Freiwilligen Feuerwehr Vettweiß war er als Wehrleiter, bis zu seinem Eintritt in die Berufsfeuerwehr auf dem Fliegerhorst Nörvenich, tätig.

Heinrich kam zu einer Schlachter Kompanie(er war Metzger) nach Belgien, Frankreich und seit November 1943 nach Rumänien. Den Beruf des Metzgers erlernte er bei Metzgermeister Jean Eversheim in Vettweiß. Heinrich war Mitglied bei der DJK, im Theater- und Jünglingsverein.

Alfons war seit dem 09. April 1940 bei der Marine und ab dem 23. Mai 1942 auf U-Boot 222 stationiert. Bei der Firma Nelles in Düren erlernte er den Beruf des Kunstschlossers und arbeitet dort bis zu seiner Einberufung. Alfons spielte Fußball und war Trommler im Tamboucorps Vettweiß. Die Chronik des Tamboucorps hatte er vor den Kriegswirren auf dem Speicher seiner Mutter versteckt.

Maria erlernte den Beruf der Hauswirtschaften. Als Hauswirtschafterin übte sie den Beruf bis zum Rentenalter aus.

Helene war als Bürokauffrau bei der Firma Dederichs in Vettweiß tätig. Nach Kriegsende kehrte Sie wieder zur Firma Dederichs zurück. Ihre große Leidenschaft war das Skifahren, Wandern und der Straßenkarneval, den Sie bis ins hohe Alter pflegte.

U-222-3Alfons Esser mit Kameraden auf U-222, 1942 im Hafen von Danzig

Am 07. September 1942 erreichte Johanna Esser die traurige Nachricht, dass Ihr jüngster Sohn Alfons im Alter von 22 Jahren, am 02.09.1942 bei einer U-Boot Übung in der Danziger Bucht für "Führer, Volk und Vaterland" den Heldentod starb. Außer ein paar Fußballschuhen, Stutzen, Knöchelschoner, Handschuhe, einem Schraubenzieher, einem Gruppenbild und drei Urkunden, blieben Ihr nur die Erinnerungen an den geliebten Sohn. Sogenannte "Kameraden" hatten seinen an Land befindlichen Schrank ausgeräumt und sich seiner Sachen "bedient".

Sein Seemannsgrab in der Danzigerbucht konnte Sie nie besuchen.

Anfang Oktober 1944 erhielt Sie eine Nachricht vom Gruppenführer Ihres Sohnes Heinrich, Uffz. Heinz Brömlage, geschrieben am 29. September 1944 aus einem Lazarett in Wien.

Unteroffizier                                                     Wien, den 29. September 1944
Heinz Brömlage

Liebe Frau Esser!
Möchte Ihnen einen kleinen Brief schreiben. Bin nämlich der Gruppenführer von Ihrem Sohn
Heinz. Nun möchte ich Sie bitten, mir die Adresse mitzuteilen, denn ich hoffe doch, daß Ihr
Sohn auch in einem Lazarett ist und es ihm gut geht. Wir wurden beide durch eine Granate
verwundet. Heinz sogar ziemlich schwer. Ich konnte zuerst noch so viel, daß ich ohne Hilfe
zurückkommen konnte. Hätte Heinz gerne geholfen und bei ihm geblieben, aber es ging nicht.
Ich bin dann am 31.8. in Wien ins Lazarett eingeliefert worden. Jetzt geht es mir ziemlich gut.
Hatte außer der Verwundung noch Malaria. Nun liebe Frau Esser, teilen Sie mir bitte sofort
die Adresse von Heinz mit.

Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Es grüßt Sie herzlich und grüßen Sie Heinz von Uffz. Heinz Brömlage

Heinrich 2 150X210Heinrich Esser

 

Eine letzte Nachricht von Heinrich an seine Schwester Maria, stammt vom 20.07.1944

Im Jahre 1946 als Ihre Söhne Matthias und Peter unversehrt aus dem Krieg zurückkehrten, Josef erst 1948 aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, begann die Suche nach Heinrich.                                                                                                                                            

Sie versuchten über verschiedene Suchdienste etwas über den Verbleib von Heinrich zu erfahren und wurden ein uns andere Mal bitter enttäuscht.

 

Dienststelle für Auskunft über Wehrmachtsangehörige                                                                                                          Wehrmachtsarchive                                                                                                                                                             Kornelimünster/Aachen                                                                                                                                                                                 Keine Antwort erhalten!!!

Deutsche Rote Kreuz
Landesverband Nordrhein e.V.
Landesnachforschungsdienst Düsseldorf
Keine Antwort erhalten!!!                                                                                                                                                              

Durch den Hilfsdienst für Kriegsgefangene und Vermisste, erfuhr Johanna Esser Anfang
März 1949 die Adressen von drei Kameraden die mit Heinrich in einer Einheit waren und aus
der Gefangenschaft zurück gekehrt waren. Sie nahm sofort Kontakt zu ihnen auf. Von zweien
erhielt Sie leider keine Antwort.
Am 20. April 1949 erkundigte sich Josef Wilde ein Kamerad von Heinrich, der am
29.03.1949 erst aus Russischer Gefangenschaft zurückgekehrt war, nach dessen Verbleib.
Sofort nahm Johanna Esser Kontakt zu Ihm auf.
In einem zweiten Brief schrieb Josef Wilde aus dem Heimkehrer Erholungsheim Beienrode
bei Braunschweig an Johanna Esser.

Werte Frau Esser                                                                  Beienrode, den 5.5.1949

Ihren werten Brief habe ich mit Dank erhalten und will Ihnen hiermit gerne mitteilen, was mir
nach so langen und bitteren Jahren in Erinnerung geblieben ist.
Ich habe damit gerechnet, dass Heinrich schon lange in seiner Heimat ist, was aber laut Ihrem
Schreiben nicht zutrifft. Das ist natürlich für Sie als Mutter und Geschwister sehr bedauerlich,
zumal ich Ihnen auch nicht das Geringste über seinen Verbleib berichten kann. Wir waren
doch bei der Schlachterei Kompanie 320 und im Juli 1944 kam der Befehl, dass die jungen
Jahrgänge, wozu auch Heinrich zählte, zum Infanterie Regt. versetzt werden müssen und
Heinrich kam zum Regt. 586, weiß aber nicht zu welcher Kompanie. Wir lagen dazumal in
Bessarabien (heute Moldawien) in dem Dorfe Puhau (Budesti). Heinrich kam also zum Inf.
Regt. 586 und lag von uns 40 Km weiter vorne an der Front in der Ortschaft Kapusta-Wega
(Cobusca-Veche) am Dister (Dnjestr), das ist der Grenzfluss zwischen Russland und
Bessarabien (Moldawien). Seit Juli 1944 habe ich Heinrich nicht mehr gesehen.
Im August 1944 kamen wir aber Alle in Gefangenschaft. Es waren dort mehrere ganze
Divisionen, die der Russe geschnappt hat. Ungefähr waren wir dort 130.000 Mann, die wir
gefangen wurden. Tote und Verwundete waren noch darunter.
Es war ein großes Drama, was sich dort abgespielt hat kann man sich nicht vorstellen.
Die armen Verwundeten blieben liegen, und wer nicht laufen konnte, wurde von den Russen
glatt erschossen.
Wir kamen dann nach Tirapol und nach einem Monat nach dem Donezbecken. Unser Ort hieß
Werchni a/ Donez. Dort mussten wir in Kohlengruben arbeiten. Behandlung und Essen sehr
schlecht. Die Hälfte der Kameraden ist 1944 – 1945 gestorben an Hunger. Wir kamen mit
1500 Mann im Oktober 1944 dort hin und 1945 waren schon 900 Kameraden gestorben.
Unglaubliche Zustände sage ich Ihnen. Schreiben durften wir erst im Herbst 1946.
Wer aber nach 1946 noch am Leben war, der hätte sich bestimmt gemeldet, zumindest
derjenige welcher genau wusste, wo seine Angehörigen sind.
Es war sehr schade, dass Heinrich versetzt wurde, denn er war allen ein sehr lieber und treuer
Kamerad in unserer Schlachterei-Kompanie. Er war stets lustig und konnte sich über
unangenehme Vorkommnisse hinwegsetzen. Er war eben ein lustiger, wahrheitsgetreuer
Rheinländer. Seinen guten Humor hatte er in Russland bis zum letzten Tag unseres
Zusammenseins behalten. Auch in Russland hat es ihm ganz gut gegangen solange er bei
unserer Kompanie war. Als er dann zur Infanterie kam, war es nicht mehr so gut, ließ er mir
einmal durch einen Kameraden bestellen und er käme gerne wieder zu unserer Schlachterei
Kompanie zurück.
Den Gruppenführer Heinz Brömlage habe ich nicht gekannt denn die Inft. ist ja 30 – 40 Km
von unserer Kompanie weg gewesen und wir sind ja nicht zusammen gekommen.
Betreffs der Ungewißheit über Heinrich, denn es könnte doch sein, dass er auch trotz seiner
Verwundungen in Gefangenschaft gekommen wäre. Da er ja von sehr kräftiger Natur war,
wollte ich Ihnen noch sagen, dass dort bei uns in Russland auch in unserem Lager
Kameraden, welche auf Grund des großen Hungers sich irgend etwas besorgt hatten und dabei
erwischt wurden zu Zwangsarbeit von 4 – 13 Jahren verurteilt wurden und sofort in
sogenannte Straflager kamen und nicht schreiben konnten und durften. Diese kamen mit der
Außenwelt nicht mehr in Kontakt, und ihr Los ist das Schlimmste was sich ein Mensch
überhaupt denken kann. In der Zeit von 1944 – 1949 sind in unserem Lager etwa 40
Kameraden zu solchen Zwangsarbeiten verurteilt worden. Ich war ja nur in dem einen Lager
die ganzen Jahre. Ich habe sehr oft in den anderen Lagern, welche in unserer Nähe waren,
nachfragen lassen über Kameraden aus unserer Schlachter Kompanie, konnte aber keinen
mehr treffen. Ich weiß selbst nicht wo alle geblieben sind. Von unserer Schlacht-Kompanie
waren wir nur mit 3 Mann in unserem Lager und 2 davon sind 1944 schon gestorben.
Ich habe jetzt nach meiner Heimkehr die Angehörigen benachrichtigt. Sagen Sie mal, ob es
möglich wäre, eventuell aus früheren Briefen, welche Heinrich geschrieben hat, als wir noch
in Belgien oder Frankreich waren, mir die Adresse von unserem Kompanie Chef Dr. Müller
mitzuteilen, und von anderen Kameraden, welche dazumal bei unserer Schlachterei Kompanie
waren, da ich doch Verbindung aufnehmen möchte. Ich selbst bin zur Zeit auch Heimatlos,
denn ich wohnte in Oberschlesien und das haben ja die Polen. Meine Frau war bereits 1940
gestorben und meine einzige Tochter wurde mit den Einwohnern vertrieben und befindet sich
bei meinem Schwager in Münster. Ja, auch ein trauriges Los habe ich hier in Deutschland
vorgefunden. Keine Kleidung, keine Beschäftigung, kein Geld, keine Frau und kein Haus
mehr. Meine Krankheit hat sich gebessert und ich befinde mich jetzt in einem Heimkehrer-
Erholungsheim.
Also werte Frau Esser bitte nicht verzagen. Vielleicht kommt doch noch ein Lichtstrahl in das
zur Zeit dunkle Schicksal von Heinrich.

Zum Schluss wünsche ich Ihnen und Ihren Kindern alles Gute und Gesundheit.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Wilde

Die Deutsche Dienststelle
für die Benachrichtigung der nächsten
Angehörigen von Gefallenen der
ehemaligen deutschen Wehrmacht

teilte Johanna Esser am 05. November 1953 mit, dass ein Heinrich Esser auf dem Städtischen Friedhof in Frankfurt/Oder, Abt. S II K, Reihe 2, Grab 20, am 30.09.1945 ohne weitere Angaben beerdigt wurde. Eine Anfrage bei der Friedhofsverwaltung, um Näheres über den Verstorben zu erfahren blieb unbeantwortet. Nähere Recherchen ergaben, dass es nicht Ihr Sohn Heinrich war.

Eine Mitteilung, Heinrich sei in einem Lazarett in Wien gewesen, stellte sich ebenfalls als falsch heraus.

Am 03. November 1959 starb Johanna Esser, ohne zu wissen was mit ihrem Sohn Heinrich geschehen ist.
Totenzettel-2

Am 20. August 1973 erreichte Josef Esser folgende Nachricht vom Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes
Rotes Kreuz-3

Bis heute ist noch immer nichts über den Verbleib von Heinrich Esser bekannt. Er steht noch immer beim VDK Suchdienst auf deren Suchlisten.

Alle Unterlagen sind im Original und im Besitz der Familie.

Bei der Übertragung der Briefe in Sütterlinschrift war Hubert Brandenburg behilflich.