Günter Kratz, Jude, der dem Holocaust entkommen ist, und ein guter Freund unserer Familie. Ich finde es für angebracht sein Leben, seine Odyssee, hierdurch festzuhalten.
Günter Kratz ein durchaus kritischer, misstrauischer aber auch ein freundlicher, gutmütiger und gebefreudiger Mensch, der ebenso sehr direkt, leicht aufbrausend und lautstark sein konnte.
Er war ein Freund meiner Schwiegereltern, dem Ehepaar Peter und Gertrud Hülden, Besitzer des Gasthofes Hülden (heute "Bei Hämmer").
Ich habe es stets vermieden Günter Kratz über sein Leben zu befragen, sondern ich war darauf bedacht bei oftmaligen allgemeinen Gesprächen Ausführungen zu seinem Leben sorgfältig zu registrieren.
Günter Kratz wurde am 19.07.1921 in Nideggen als Sohn von Norbert und Emma Kratz geb. Moses geboren. Im Jahr 1924 wurde Schwester Ingeborg geboren. Vater Norbert war erfolgreicher Pferdehändler. Günter Kratz besuchte Kindergarten und Schule in Nideggen.
Als die Repressalien der Nazis gegen die jüdische Bevölkerung immer mehr ausarteten und perverser wurden, entschloss sich die Familie, Günter über die grüne Grenze bei Losheim und Losheimergraben nach Belgien in die Gegend von Eupen und Malmedy zu verbringen. Diese Grenzüberschreitungen waren wohl organisiert und wurden für 300 - 500 RM durchgeführt. Am 24.12.1938 war es soweit. In der Weihnachtsnacht erreichte Günter Kratz Eupen wo er vorsorglich bei einer bekannten Familie unterkam. Weshalb seine Eltern und seine Schwester den gleichen Schritt nicht wagten, dazu hat er sich nie geäußert.
Als sich Ende 1939 und Anfang 1940 die Anzeichen mehrten, dass Hitler Frankreich angreifen würde, da hielt es Günter Kratz nicht mehr in Belgien aus, er machte sich auf den Weg nach Frankreich und dann immer ziellos weiter nach Süden.
Mit Beginn des Krieges wurden alle aus Deutschland stammenden Personen, derer man von Seiten der Franzosen habhaft werden konnte, in das Lager Gurs in den Pyrenäen verbracht, auch Günter Kratz wurde interniert, doch konnte er von dort flüchten und gelangte nach St. Cyr sur Mer in der Nähe von Marseille. Hier, in der von Deutschen zu dieser Zeit nicht besetzten Zone Frankreichs, musste er wieder in ein Arbeitslager, aus dem ihm auch wieder die Flucht gelang. Mit der Kontrolle der Deutschen über ganz Frankreich änderte sich für Günter Kratz die Lage. Er wurde von den Franzosen als Untergrundkämpfer integriert und akzeptiert. Er erhielt nun den Decknamen: "Josef".
Als der Krieg in Frankreich beendet war, meldete er sich zur Fremdenlegion. Nach Ablauf der Zeit verblieb er noch einige Monate im Urwaldkrankenhaus Lambarene von Albert Schweitzer in der französischen Kolonie Gabun. Dann zog es ihn über Marseille nach Palästina.1947 hatte die UN Vollversammlung die Teilung Palästinas beschlossen und damit den Staat Israel ermöglicht.
Am 14.Mai 1948 war die Proklamation Israels und am 15. Mai begannen arabische Armeen mit dem Angriff auf Israel. Der erste arabischisraelische Krieg fand statt. Mittendrin Günter Kratz an der Seite von Begin, dem späteren Ministerpräsidenten Israels. Mir gegenüber hat er dies nie richtig zugegeben, er erklärte immer, er hätte zu dieser Zeit im Kibbuz gearbeitet, wobei er ein gewisses Lächeln nicht verbergen konnte, was wiederum meine Vermutung bestätigte, dass dem so nicht gewesen sei.
Seine Briefe, die er während der ganzen Zeit nach Hause an seine Eltern und Schwester verschickte, kamen alle als nicht zustellbar zurück. Das war für ihn die Gewissheit, dass seine Familie den Holocaust nicht überlebt hatte. Er fasste den Entschluss, sich in Deutschland in seiner Heimat Nideggen selbst ein Bild zu verschaffen. Per Schiffspassage von Israel nach Marseille. Von dort mit dem Auto nach Deutschland nach Nideggen. Als er so vor seinem Elternhaus stand, das von Fremden bewohnt war, war die Gewissheit entgültig zur Realität geworden. Er erzählte, dass er sich seiner Tränen über Stunden nicht geschämt habe und eine spürbare Wut in ihm aufgekommen sei.
Er machte sich auf den Weg nach Vettweiß zu der angegebenen Adresse von Wilhelm Schwarz. Wilhelm Schwarz, der in Holland mit viel Glück überlebt hatte, betrieb zu dieser Zeit in der damaligen Hauptstraße, heute Gereonstraße, neben der Sparkasse einen Viehhandel. Das erste was ihm aufgefallen sei, sei der Schriftzug an der Seitenfassade des Gebäudes gewesen. "Juden raus"
Da Günter Kratz nur mit französischen Ausweispapieren ausgestattet war, galt es nun sich um einen deutschen Personalausweis und einen Reisepass zu bemühen. Ausgestattet mit Passbildern auf nach Düren ins Kreishaus. Dort trug er sein Anliegen vor. Doch der zuständige Beamte erklärte, dass er Stammbuch, Geburtsurkunde und Sterbeurkunde der Eltern beizubringen habe. Kratz verwies darauf, dass er dies nicht beibringen könne, da seine Familie weggegast worden sei, und er lediglich seine vorliegende Identität zur Verfügung habe.
Der Ton zwischen Beiden wurde schärfer und lauter, wobei Günter Kratz auf einen hellen Fleck am Anzugrevers hinwies, an dem doch sicher einmal das Parteiabzeichen seinen Platz gehabt habe.
Der Beamte blieb seiner Linie treu. Daraufhin verließ Kratz das Büro mit der Bemerkung, dass er in einer Stunde wiederkomme, sollten dann die Pässe nicht ausgestellt sein, würde er ihn strangulieren und am Fensterkreuz aufhängen. Das entfachte natürlich einen gewaltigen Krach im Kreishaus. Türen wurden geschlagen, laute Rufe auf den Fluren, Gekreische. Die Polizei rückte mit Blaulicht an. Sie verschafften sich einen Überblick und wollten Günter Kratz abführen. Doch Kratz erklärte ihnen, dass die Zeit der Nazis vorbei sei, dass sie seine Familie abgeführt hätten, dass sie es nicht wagen sollen ihn anzurühren.
Die Polizeibeamten ließen tatsächlich von ihm ab, als ein Herr, aufgeschreckt durch den Lärm die Szene betrat. Er erfragte den Sachverhalt und bat Kratz in sein Büro. Hier konnte er seine Situation erklären, woraufhin dieser veranlasste Günter Kratz die beantragten Pässe auszustellen, verbunden mit Zweitausfertigungen von Geburtsurkunden.
So unverhofft Günter Kratz in Vettweiß auftauchte, so unverhofft und unbemerkt reiste er wieder ab. Es zog ihn abermals nach Israel. Doch er hatte in Vettweiß zärtliche Bande mit Anneliese Dederichs geknüpft, die während seiner Zeit in Israel weiter brieflich vertieft wurden. Eines Abends im Jahre 1958 öffnete sich die Tür zum Schankraum des Gasthofes Hülden, Günter Kratz war wieder da.
Er zog nun bei Anneliese Dederichs ein, die ihre bettlägerische Mutter über viele Jahre bis zu deren Tod im Jahre 1972 pflegte. Günter Kratz nahm eine Arbeit beim Autohaus Lenzen an. Jahre später wechselte er zu den Fordwerken in Düren, wo er in der Materialausgabe tätig war. Oftmals zog es ihn in seinen Heimatort Nideggen. Liebend gerne hätte er um Einlass in sein Elternhaus gebeten. Wann immer er es sich vornahm und er davor stand, er brachte es nicht übers Herz.
Unter der fadenscheinigen Vorgabe für einen Verein eine Befragung über den Ort Nideggen durchführen wollen, erhielt er Einlass in ein Nachbarhaus. Noch bevor er mit der "Befragung" anfangen wollte, erblickte er auf der Herdplatte einen ihm bekannten großen Kupferkessel. Darauf angesprochen, erklärte das Ehepaar, dass es sich dabei um ein Erbstück handele.
Kratz erwiderte, dass er nachvollziehen könne, dass dies ein Erbstück sei, es handele sich dabei um Eigentum der Familie Norbert Kratz und er sei der Sohn Günter Kratz, der eigentliche Erbe.
Die Verblüffung, die Fassungslosigkeit sei für ihn wie eine Genugtuung gewesen. Ja, er habe eine gewisse Schockstarre ausmachen können, als er wissen wollte, was sie alles nach der Deportation seiner Eltern aus seinem Elternhaus herausgeholt hätten? Mit diesen Worten und der Gewissheit, dass Einer der Familie Kratz überlebt habe, verabschiedete er sich.
Doch es gab für ihn in Nideggen noch eine offene "Baustelle", der er sich nun annahm. Im Rathaus verlangte er, seine Herkunft darlegend, Einsicht in das Gemeindekataster, denn seiner Familie gehörten auch noch Parzellen Wiesen und kleinere Äcker und als deren rechtmäßiger Erbe er nun zu seinem Eigentum kommen wollte. Bei aller Verblüffung der Gemeindestellen fand er Unterstützung durch den damaligen Stadtdirektor, der ihm auch bei Gericht beistand, dass die Parzellen wieder ihn das Eigentum Kratz übergehen konnten.
Juristen rieten Günter Kratz Klage auf Rückgabe seines Elternhauses anzustreben. Dies wollte er nicht, da dies ein langer, kostenintensiver Prozess werden könne und an dessen Ende niemand ein für ihn positives Urteil vorhersagen könne, da die deutsche Justiz seiner Meinung nach, ich will es einmal gelinde ausdrücken, noch immer nazilastig ausgerichtet sei, und da komme er als Jude gerade gelegen, wo manch ein Richter sein Mütchen wieder kühlen könne. In dieser Sache hatte er nun, wenn auch schweren Herzens, seinen Frieden.
Erstaunlich seine Kenntnis zu nicht wenigen Vettweißer Bürgern oder derer aus Stadt und Kreis Düren über ihre NS-Vergangenheit, die er meistens dann kolportierte wenn Verdacht bestand, jemand wolle sich bei seinem politischen Mandat, sei es im Gemeinde-, Stadtrat oder Landtag, einen persönlichen Nutzen verschaffen, oder aber eine aufgeblähte Geltungssucht an den Tag legte. Die Quellen seiner umfangreichen Kenntnis hat er mir gegenüber nie preisgegeben.
Ende der 70ger Jahre ehelichte er Anneliese Dederichs. Standesamtlich wie kirchlich. Wie das möglich ist? Pfarrer Heinrich Hastenrath, zu dieser Zeit Pfarrer in Vettweiß, war der Initiator, er ermöglichte die Trauungszeremonie. Günter Kratz wurde von einem Rabbiner in der Synagoge getraut und seine Frau durch einen katholischen Geistlichen in einer kath. Kirche. Günter Kratz war ein gläubiger Jude, der jeden Freitag den Weg nach Aachen in die Synagoge suchte, der aber auch skeptisch der Vielzahl von Zuwanderungen von Juden aus dem Ostblock gegenüberstand. Jedes Jahr zu Karfreitag wurden wir von Günter mit Matzen, ungesäuerte Brote, versorgt.
Im Jahr 1980 planten meine Frau und ich für das Jahr 1981 eine Reise nach Israel. Günter Kratz stellte Verbindung zu seinem dort lebenden Vetter her, der mit einem Besuch unsererseits einverstanden war. Es war schon ein mulmiges Gefühl, als wir nach Absprache vor dem Anwesen der Familie Josef Gardi standen. Doch glaubten wir, dass es ein gutes Zusammentreffen zweier wildfremder Parteien gewesen sei. Wir sahen uns bestätigt, als Herr und Frau Gardi zusammen mit einem weiteren Gast, sie nannten ihn Fritz, uns im Hotel noch 2x besuchten und wir uns für ihre Gastfreundschaft revanchieren konnten. Eine überaus große und gute Erfahrung unserer Israelreise.
Diese Erfahrung veranlasste Günter Kratz zusammen mit seiner Frau im Jahr 1984 eine Israelreise zu unternehmen, wobei sie einige Tage bei seinem Vetter wohnten. Wir glaubten ein angespanntes Verhältnis zwischen den Beiden ausgemacht zu haben, das aber nach dieser Reise wieder gekittet schien.
Ein absolutes Muss war seine jährliche Reise nach St. Cyr sur Mer. Diese weite Reise startete er mit dem Auto, anfangs alleine, später zusammen mit seiner Frau. Doch als nach Jahren seine körperliche Verfassung die Strapazen nicht mehr zuließen, suchte er immer nach einem Fahrer. So boten mein Freund Willi Roß und ich uns an, Günter Kratz im Jahre 1988 nach St Cyr zu fahren.
Anlaufpunkt das Hotel. Dann in ein Bistro. Hier erwarteten bereits 7 oder 8 Personen Günter. War das eine Freude, eine Begrüßung unter den alten "Kampfgefährten". Uns wurde jetzt klar, weshalb es ihn immer wieder in seine weit über 1000 km entfernte "Heimat" zog. Jeden Tag eine andere Einladung. Man wurde das Gefühl nicht los, Günter Kratz sei ein Bürger des Ortes und allseits bekannt. Und erst das Zusammentreffen mit der Familie, die Günter über Jahre versteckte und ihm Deckung verschaffte, allen voran Mutter Maggie. Ergreifend, denn sie waren sich bewusst, dass es bei der gesundheitlichen Verfassung aller, auch das letzte Treffen sein könnte.
Im Jahre1990 tauchten in Kölner Zeitungen große Berichte über den Künstler Demnig auf, der in Köln sogenannte "Stolpersteine" verlegt hatte, die an die Deportation von Sinti und Roma durch die Nazis erinnern sollten. Dies weckte das Misstrauen von Günter Kratz, der hinter dieser Aktion, die er bald auf deportierte und vernichtete Juden ausgeweitet sah, ein Riesengeschäft
für den Künstler vermutete. Kratz war "außer sich" vor Zorn.
Sollte er erleben, dass vor seinem Elternhaus derartige Steine verlegt würden, er würde sie eigenhändig herausreißen. In den 30ger und 40ger Jahren sei genug auf Juden rumgetrampelt worden, da brauche man nicht Anlass geben sich erneut die Füße auf den Getöteten abzutreten, die Hunde ihr Geschäft auf diesen Steinen verrichten lassen oder die Namen anzuspucken.
Geschäfte seien mit Juden genug gemacht worden, da bedürfe es nicht noch solcher medialen Aktion. Unsägliche Wut hatte ihn erfasst.
Er vertrat die Ansicht, dass Schlichtheit, die auf die Nazi-Verbrechen hinwies, allemal besser sei als Protzerei, wie er es nannte, und dies nach mehr als 40 Jahren. Er war vollauf zufrieden mit der mahnenden Inschrift auf einem Findling, der an der Ecke Schulstrasse Küchengasse von der Gemeinde Vettweiß aufgestellt wurde und war dankbar dafür, dass der damalige Gemeindedirektor Linder ihn in die Vorbereitungen mit einbezogen hatte.
So wurde der Gedenkstein im Beisein von Bürgermeister, Gemeindedirektor, Vertretern des Gemeinderates, der Kirche, von Günter Kratz und seinem Glaubensbruder Erich Meier aus Düren, sowie einem Rabbiner, der der Einladung gefolgt war am 29. April 1991 eingeweiht.
Mit der Zeit hatte der Gesundheitszustand von Günter Kratz merklich nach gelassen. Das Herz machte Probleme. Und so landete er, der bis zur Praxisaufgabe1988 beim ehemaligen KZ Arzt August Bender in Behandlung war, was für Viele an Unverständnis nicht zu überbieten war, auf der Intensivstation des Dürener Krankenhauses. (Auf die Behandlung durch Dr. Bender von mir angesprochen, erwiderte er, dass August - so allgemein bekannt - eben Ahnung habe. Wie er sich mit ihm ausgetauscht hat, darüber hat Günter Kratz nie ein Wort verloren).
Günter Kratz lag also auf der Intensivstation, seine Frau, die Wochen vorher bei einem Sturz einen komplizierten Handbruch erlitten hatte, befand sich ihn Reha. Sachen konnten von der Haushaltshilfe beigebracht werden. Doch wie es um den Gesundheitszustand bestellt war, dazu gab die Station keine Auskunft.
Am zweiten Tag startete ich einen Versuch und wurde von einer Schwester, der ich erklärt hatte, dass Herr Kratz außer seiner Frau, die sich in Reha befinde, keinerlei Verwandtschaft habe. Keine Auskunft. Verständlich. Ich verlangte nach einem Arzt. Nach langem Warten erschien eine ältere Ärztin, der ich meinen "Spruch" wiederholte. Diese fuhr mich an, dass ich ihre Zeit stehle und sie keine Auskunft geben würde und erst recht keine machen wolle. Sie wandte sich Grußlos zum Gehen, als ich ihr mit auf den Weg gab, dass Herr Kratz deshalb keine Verwandtschaft mehr habe, weil diese von Ärzten in weißen Kitteln an der "Rampe" selektiert wurden und dann im Gas endeten.
Ich ließ sie stehen, sie hinter mir her, entschuldigte sich mehrmals, klärte mich über seinen Gesundheitszustand auf und gestattet, dass ich oder meine Frau jederzeit Zugang zu Herrn Kratz habe.
Eine weitere Herzattacke im Jahre 1994 überstand Günter Kratz nicht. Am 8. Dezember 1994 verstarb er im Alter von 73 Jahren.
So aufregend wie sein Leben verlaufen war, so aufregend gestaltete sich auch seine Beisetzung. Ich hatte in dieser Woche Spätschicht. Seine Frau bat um Beisetzung auf dem gemeindlichen Friedhof in Vettweiß. Diesen Wunsch gab ich an das Beerdigungsinstitut weiter. Als ich spät abends nach Hause kam, musste ich sofort Kontakt mit Frau Kratz aufnehmen. Die "Gemeinde" versuchte ihr auszureden ihren Mann in Vettweiß bei zusetzen. Anneliese war der Meinung, ihr Mann sei Vettweißer Bürger, bezahle hier seine Steuern und Abgaben, und deshalb solle er hier begraben werden.
Wieder trug ich den Wunsch dem Beerdigungsinstitut auf, und verabschiedete mich zur Arbeit. Und wieder wurde Frau Kratz, jetzt mit einer "höheren Tonlage" konfrontiert, ihren Mann auf dem jüdischen Friedhof in Düren beisetzen zu lassen. Frau Kratz, die meine Unterstützung hatte, blieb hart. Verschiedene Anrufe gingen bei mir ein, die besagten, ich, der ich ein guter Freund der Familie Kratz sei, möge auf Frau Kratz einwirken von einer Beisetzung in Vettweiß abzusehen, was ich natürlich verneinte tun zu wollen.
Am dritten Tag, ich war wieder auf Arbeit, hatten "sie" Frau Kratz soweit. Sie stimmte einer Beisetzung auf dem jüdischen Friedhof zu.
Hätte „man" von Anfang an den Mut gehabt und Frau Kratz dahin gehend aufgeklärt, dass Bürger jüdischen Glaubens ewige Ruhefristen haben, dies aber die gemeindliche Bestattungsordnung nicht hergebe, Frau Kratz, da bin ich mir sicher, hätte sofort von ihrem Wunsch abgesehen.
So wurde Günter Kratz von der Leichenhalle Vettweiß aus, nach Waschung durch den Rabbiner, nach Düren geleitet und dort am 14.Dezember 1994 auf dem jüdischen Friedhof Düren in der letzten freien Grabstelle beigesetzt. Hier schließt sich der Lebenskreis von Günter Kratz, dessen Leben man getrost als Odyssee bezeichnen kann.
Nach dem Tod ihres Mannes wechselte Anneliese Kratz ins Seniorenheim Burg Binsfeld, wo sie im Jahre 2007 im Alter von 82 Jahren verstarb.