Der 1. Weltkrieg endete am 11. November 1918 mit der Kapitulation des Deutschen Kaiserreiches.
Bei den aufgenommenen Friedensverhandlungen, die am 28. Juni 1919 mit der Unterzeichnung des Versailler Vertrags endeten, wurde verfügt, dass das Kaiserreich an fast allen Grenzen Gebiete an die Siegermächte abtreten mußte.
So wurde das ostbelgische Gebiet um Eupen / Malmedy Belgien zugesprochen.
Dieses Gebiet gehörte bereits vor 1815 zu Belgien, wurde aber auf dem Wiener Kongreß im Jahre 1815 Preußen zugeschlagen.
Dort wohnte, im kleinen Ort Ouren der Gemeinde Burg-Reuland, die Familie Delhougne.
Bernhard Delhougne, geboren am 14.06. 1880, unterrichtete als Lehrer an der Volksschule Ouren.
Bedingt durch den Versailler-Vertrag, für Delhougne das Versailler- Diktat, und einer gewissen Anfeindung durch die dortige Bevölkerung, sah die Familie ihre Zukunft nun in Deutschland. Das preußische Kaiserreich war Vergangenheit.
Bernhard Delhougne wurde eine Lehrerstelle an der Volksschule Juntersdorf bei Zülpich zugewiesen. Dorthin verzog er mit Frau Margarethe und Kindern.
Im Jahr 1927 verabschiedete sich Joseph Valentin als Hauptlehrer der Volksschule Vettweiß in den Ruhestand. Er war seit 1887 Lehrer in Vettweiß, hatte die vier Lehrer - Dynastien Körver, von 1736 – 1903, mit der Übernahme des Amtes als Hauptlehrer im Jahre 1904, abgelöst.
Durch Verfügung der Schulbehörde wird als Nachfolger Bernhard Delhougne bestimmt, der das Amt als Hauptlehrer mit Beginn des neuen Schuljahres im April 1927 übernimmt.
Die angespannte Erwartung, wie mag sich der „Neue“ wohl anpassen, wo liegen seine Ecken und Kanten, war ziemlich schnell beantwortet.
Bernhard Delhougne war nicht nur auf schulische Leistungen getrimmt, nein, er wollte im Ort mitgestalten. Er war der Musik angetan. Die Geige war sein Lieblingsinstrument, das bei schulischem Singen unterstützend wirkte.
Sein Leitgedanke war, dass musizieren in der Gruppe nicht nur mehr Spass macht, das eigene Können fördert, sondern dass Musik Verbindungen schafft, welche dem Leben seinen Wert geben, und Grenzen überwinden hilft.
Er war überzeugt, dass dies mit der Gründung eines Mandolinenclubs in Vettweiß gelingen könnte.
Die Mandoline ein Zupfinstrument aus der Familie der Lauteninstrumente.
Als Ursprungsland wird Italien angeführt, wobei erste Quellen auf Anfang des 17. Jahrhunderts hinweisen.
Ende des 19. Jahrhunderts war der Beging der großen Wanderbewegung, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts immer größerer Beliebtheit erfreute. Bürger organisierten sich in Wandervereinen.
So war die Mandoline, ihrer kleinen Bauform geschuldet, ein sehr beliebtes Musikinstrument, bei den vielfältigen Wanderungen die Sangesfreude musikalisch erfrischend zu begleiten.
Für Herrn Delhougne war erstmals Überzeugungskraft angesagt. Weniger bei den Schülern der Oberklasse, als bei Schulentlassenen, die bereits in beruflichen Anfängen steckten.
Aber wie es in solchen Fällen geartet ist, eine neugierige und anfängliche Begeisterung ist geweckt.
Die Bereitschaft zum Erlernen wurde bereitwillig von nicht wenigen Interessierten gegeben.
Das „Spiel“ konnte also beginnen.
Fünf Mandolinen befanden sich im Besitz von Bernhard Delhougne. Dies mußte für die ersten Übungen reichen.
Delhougne wollte sein Wissen und Können weitergeben. Er konnte die Frage, wie schwer das Erlernen des Mandolinenspiels sei, zu seiner und zur Zufriedenheit der Interessenten überzeugend erklären. Mit der Unterstützung durch einen erfahrenen Spieler, wie Delhougne nun war, der seine Erfahrungswerte sehr gut vermitteln konnte, war den unerfahrenen Aspiranten sehr geholfen.
Zwei- bis dreimalige Wochenproben verfehlten ihre Wirkung nicht. Neue Mitspieler bekundeten ihr Interesse. Der Anfang war, bei leichter Zufriedenheit, gemacht.
Die schwerste Übung aber stand noch bevor. Die Anschaffung von weiteren Instrumenten.
Dass jeder Spieler sein eigenes Instrument käuflich erwerben konnte, wurde ins Bereich der Fabel gerückt.
Der Ortsbevölkerung war die Emsig- und Stetigkeit der lockeren Mandolinengruppe nicht verborgen geblieben. Sie wurde wohlwollend zur Kenntnis genommen.
Dieses Wohlwollen wußte Bernhard Delhougne zu nutzen. Als Hauptlehrer, zu dieser Zeit, neben dem Pfarrer, die wohl geachteste und respektierteste Person im Ort, startete er bei vermeintlich förderwilligen Dorfbewohnern eine Sammlungstour für neue Instrumente.
Das Ergebnis war durchschlagend. Mandolinen, eine Geige sowie zwei Banjos, ein fellbespanntes Saiteninstrument, konnten angeschaft werden. Die Ausstattung der gesamten Gruppe war mit einem Schlag gegeben. Unerläßliche Proben in der Gesamtbesetzung waren gesichert. Kniffe konnten nun bei Mitspielern in der Gruppe abgeschaut, diskutiert und übernommen werden.
Dann stand der erste öffentliche Auftritt an. Eine gewisse Nervosität war nicht zu leugnen.
Beim Aufstellen des Maibaumes am 1. Mai 1928 auf dem Marktplatz oblag die musikalische Untermalung, zusammen mit der Schollschen Kapelle, der Mandolinengruppe unter der Regie von Bernhard Delhougne.
Gekonntes Spiel, der begleitende, erfrischende und stimmgewaltige Gesang der Vortragenden brachten großes Lob.
Die verdiente Anerkennung durch die Bevölkerung spornte an. Das musikalische Repertoir, das dazu gehörige Einstudieren der passenden Lieder wurde stets erweitert und verfeinert. Einspielungen bei Kirmes und Theaterabenden waren erwünscht, wurden zur Regel.
Dieser Erfolg veranlaßte die Gruppe im Jahre 1929 zur Gründung des „Mandlinenclub Frohsinn 1929 Vettweiß“.
Zu dieser Zeit umfaßte der Club ca. 20 aktive Spieler, die nun zu allen Festlichkeiten aufspielten und auch gern gesehene Teilnehmer an den Schützenumzügen der Vettweißer Bruderschaft waren.
Sponsoren und eingespielte kleine Honorare ermöglichten es dem Club, einen jährlichen Ausflug zu starten. Ziel war stets, wie die Bilder belegen, Königswinter und der Drachenfels, dies auch schon vor der offiziellen Gründung.
In dieser Epoche war der Volkstrauertag stets im Monat März terminiert, dem nach einer Messfeier ein Trauerzug zum sogenannten Ehrenfriedhof, eingebunden in den gemeindlichen Friedhof, folgte.
An den von den Nazis ab 1933 organisierten Traueraufzügen hatte auch der Mandolinenclub teilzunehmen, um auf dem Friedhof Lieder, vorgetragen von ausgewählten Schulklassen, musikalisch zu untermalen. Die vorherige Messfeier wurde nach „Nazi-Art“ behindert.
Zur angesetzten Uhrzeit wurde gleichzeitig der Abmarsch der Vereine und Verbände vom Marktplatz aus befohlen.
Der Aderlaß durch die im März 1935 ausgerufene Wehrpflicht, die 1936 auf 2 Jahre ausgedehnt wurde, und von der auch aktive Clubmitglieder betroffen waren, konnte aufgefangen werden.
Es stellte keinen allzu großen Einschnitt dar. Störender waren schon die musikalischen Vorgaben durch die örtliche Parteiführung.
Es war nicht zu leugnen, dass sich im Ort eine gewisse Stimmung breit machte, die schlimme Zeiten erahnen ließen. Die begleitende Angst öffentliche Äußerungen zu machen war zu spüren.
Vielleicht wollte und konnte man aber die bestehenden Umstände nicht so richtig wahrhaben.
Den Mandolinenclub, der auch in der angesprochenen Zeit seine Proben mit verbliebenen Aktiven fortsetzte, traf eine andere Sache unvorbereitet und deshalb um so härter.
Das Gerücht, dass für den Leiter und Gründer des Mandolinenclub Herrn Bernhard Delhounge ein Schulwechsel bevorstehe, verdichtete sich immer mehr und wurde zum 1. Januar 1937 Gewißheit.
Durch Verfügung des Schulrates wurde er nach Arnoldsweiler versetzt, während im Gegenzug der dortige Hauptlehrer Bernhard Engels die freiwerdende Stelle in Vettweiß übernahm.
Ein Austausch der Personen, deren Schlüssigkeit damals eine gehörige Portion Unverständnis, wenn nicht zu sagen Wut, hervorrief. Proteste zu damaliger Zeit, gänzlich unangebracht.
Dieser Umstand zwang nun zur Improvisation, zumal mit dem „Neuen“ eine gewisse Unmusikalität einherging. Herr Engels sagte dem Club aber sonstige Unterstützung zu, ein Versprechen, auf das Verlaß war.
Die bisherigen Proben, immer als geselliges Beisammensein betrachtet und gepflegt, zu beenden, passte aber nicht in die Überlegungen der Aktiven.
Bernhard Delhougne konnte sich einer intensiven Überzeugungsarbeit vieler Clubmitgliedern nicht entziehen, er willigte ein, jeweils an zwei Abenden im Monat die wöchentlichen Proben zu leiten und auch bei Auftritten als Leiter dem Mandolinenclub vorzustehen.
Die Zerstörung der Vettweißer Synagoge am 9. November 1938 und das fast gleichzeitig verhängte Verbot von vergnügsamen Vereinsfestivitäten, die nicht mit der Parteiräson völlig übereinstimmten,
verfestigte den Glauben an bevorstehende schwierige Zeiten.
Etwa um die Mitte des Jahres 1939 wurde dann der einstimmige Entschluß gefaßt, die Aktivitäten des Mandolinienclubs bis auf weiteres ruhen zu lassen, da eine Anzahl an Aktiven ihre Einberufung zum Militär erhielt.
Nach dem letzten Probeabend gingen die verbliebenen Spieler auseinander, nicht ohne sich das Wort zu geben, nach Ende des sich abzeichnenden Krieges, den „Mandolinenclub Frohsinn 1929 Vettweiß“ wieder aufleben zu lassen.
Ein Versprechen, nicht vollends den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Sie vertraten dabei die Ansicht, die, dem Club gehörenden Instrumente, zentral zu lagern.
Eine sehr passende Gelegenheit bot sich dazu im Elternhaus von Heinrich und Josef Engels, heute, „Am Graben“.
Die Familie Engels gewährte eine sorgfältige Pflege und Aufbewahrung, wobei die Söhne, bei Heimaturlaub, sich einer Kostprobe ihres Könnens nicht entziehen konnten, und stets einen „musikalischen Glanz“ in die Wohnstube zauberten, dem sich auch die Nachbarn nicht entziehen konnten.
Wie aus dem Nichts brach der Bombenangriff am 30. November 1944 über Vettweiß herein.
Die hohe Anzahl an Toten, die Zerstörungen und die herannahende Front aus Richtung Hürtgenwald waren Anlaß für die Parteiführung, das Gebot der Zwangsevakuierung auszusprechen.
Im Hause Engels, wie fast überall, hatte man diesen Umstand kommen sehen und sich darauf vorbereitet.
Es war durchaus üblich, Kostbarkeiten und kleinere Dinge, die bei der Evakuierung hinderlich schienen, im Garten zu vergraben, um bei Rückkehr diesen Geräten wieder habhaft zu sein.
So wurden im Garten der Familie, neben Haushaltsgeräten, auch die in Kisten sorgsam verpackten Mandolinen eingegraben.
Vater und Sohn Josef, der durch eine im Jahre 1942 erlittene schwere Kriegsverletzung vom Militärdienst befreit war, hatten alles wohl vorbereitet und zu ihrer Zufriedenheit ausgeführt.
Der Krieg war endlich vorbei. Die Heimkehr der Familie Engels aus der Evakuierung stand an.
Ein erster Blick in den Hof versprach nichts Gutes. Verwüstungen im Haus, im Hof und im Garten.
Soldaten der amerikanischen Armee, die über Monate in Vettweiß die Besatzung ausübten, waren dem Umstand der Vergrabungen in Gärten auf die Spur gekommen. So auch bei Familie Engels.
Alle Kisten waren ausgehoben, aufgebrochen und ihr Inhalt zerstört worden.
So auch die wohlverpackten Mandolinen des Clubs. Diese lagen verstreut, kurz und klein geschlagen, in Hof und Garten.
Die Familie hat die Reste zusammengetragen und bis zur Heimkehr der Clubmitglieder aufbewahrt.
Diese scheuten sich beim Anblick der Verwüstung ihrer Tränen nicht. Wurde ihnen doch bei diesem Anblick sicherlich bewußt, dass damit das Ende des „Mandolinenclub Frohsinn 1929 Vettweiß“
besiegelt war.
Da alle Instrumente unbrauchbar waren und zu dieser Zeit vordergründige Entscheidungen für die Bevölkerung anstanden als die Neubeschaffung von Mandolien, entschieden die Mitglieder, eine Auflösung des Clubs erstmals zu vertagen. Mitglieder, die noch nicht in die Heimat zurückgekehrt waren, sich noch in Gefangenschaft befanden, sollten in die Entscheidung mit eingebunden werden.
Im Juni 1948 löste sich der „Mandlinenclub Frohsinn 1929 Vettweiß“, mit einstimmigem Votum der verbliebenen Mitglieder, nach über 20 Jahren auf.
Bernhard Delhougne, zuletzt wohnhaft in Zülpich, verstarb am 20.12.1958 im Alter von 78 Jahren.
Der „Mandolinenclub Frohsinn 1929 Vettweiß“ im Jahre 1931
hintere Reihe v.l. Engels Heinrich, Klein Josef, Franzen Josef, Engels Johann, Müller Johann, Esser Matthias
mittlere Reihe v.l. Becker Paul, Müller Peter, Müller Heinrich, Engels Josef, Erasmi Bernhard,
Pielen Christian,Delhougne Bernhard
sitzend v.l. Veith Cornelius, Delhougne Martin, Schmühl Hans (Bild: HGVV)